Название: Gold!
Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783753136295
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Der Capitain hatte nämlich die erste Hälfte der Nacht vom Land soviel als möglich abgehalten; nach acht Glasen aber (um Mitternacht) ließ er die oberen Segel einnehmen, um nicht zu viel Fortgang zn machen, und segelte gerade wieder auf die Küste los, um mit vollem Tag derselben nahe zu sein. Bei dem ruhigen Wetter hatte er auch nichts für sein Schiff zu fürchten und lag mit anbrechendem Morgen kaum zwei englische Meilen von der Küste entfernt, die er jetzt, die Brandung voll und deutlich in Sicht, nach Norden auflief.
Acht verschiedene andere Fahrzeuge konnten sie dabei um sich her zählen; einige noch weiter südlich, andere oben mehr nach Norden, und einzelne noch weit draußen in See, die Küste jetzt ebenfalls anlaufend, und keins von diesen schien mehr von der Einfahrt zu wissen wie sie selber.
„Hallo!" schrie da plötzlich der Obersteuermann, der oben in die Marsen gestiegen war, einen besseren Ueberblick zu gewinnen, und deutete mit dem Arm hinüber nach der schroffen Felsenküste, „was ist das da drüben?"
„Wo?" rief der Capitain, der mit dem Fernglas in der Hand auf dem Quarterdeck stand, indem er das Teleskop auszog und hinüberrichtete - „was giebt es dort?"
„Ein Segel, so wahr ich lebe, das gerade aus dem Felsen herauskommt," rief aber der Seemann fröhlich zurück - „dort muß die Einfahrt sein. Sehen Sie da drüben den flachen Felsenkegel, Capitain, mit scharf ausgezackter Wand daneben?"
„Ich hab's!" rief der Capitain zurück, und der Steuermann ergriff eine der ihm nächsten Pardunen, an der er blitzesschnell an Deck hinunterglitt. Aber langes Schauen war nicht mehr nöthig. Der Capitain hatte mit seinem guten Fernrohr bald die schmale Felsschlucht ausgemittelt, aus der heraus gerade jetzt das Helle Segel sichtbar wurde, und im Nu flogen die Raaen herum und strebte der eigene Bug der ersehnten und lange gesuchten Einfahrt entgegen. Kaum weniger aufmerksam waren aber die übrigen Fahrzeuge gewesen, denn wie sie nur die veränderte Richtung der Leontine /30/ sahen, die nicht ohne Grund so gerade auf die schroffe Felsenküste lossteuern konnte, änderten sie sämmtlich ihren Cours. Vielleicht hatten sie dabei ebenfalls das kleine Segel bemerkt; sie mußten aber jedenfalls dort die Einfahrt vermuthen und - hatten sich auch in der That nicht geirrt. Je näher sie der Küste kamen, je deutlicher erkannten sie, daß sich dort die schroffen Felsen von einander trennten und einen schmalen, kanalartigen Eingang bildeten. - Gerade in dem Augenblick kam noch eine amerikanische Brig heraus, und sie wußten nun, daß sie wirklich vor dem sogenannten golden gate oder „goldenen Thore" Kaliforniens lagen.
Das war ein Jubel an Bord, wie sich die Passagiere plötzlich ihrem Ziel so nahe sahen. Alles drängte nach vorn, das so lang ersehnte Ufer endlich begrüßen zu können, oder doch wenigstens zu den hohen kahlen Felsen empor zu starren, die rechts und links die Einfahrt bezeichneten. Zwischen den Passagieren hindurch aber, die heute überall im Wege standen, schoben und preßten die Matrosen, fluchend und wetternd, und, wo dies nicht genügte, auch wohl ohne besondere Umstände die Fäuste gebrauchend, bis sie sich Raum für ihre nothwendigsten Arbeiten erzwangen.
- Jetzt, wie mit einem Zauberschlag, klafften die beiden schroffen Felsenwände zurück, während das Fahrzeug, von Wind und Fluth begünstigt, rasch durch die enge Straße schoß, und weit voraus öffnete sich das herrliche, großartige Wasserbecken der Bai von San Francisco, an dessen rechter Seite, nur noch von einer vorspringenden Landzunge geschützt, sie schon den Mastenwald der dort ankernden Schiffe erkennen konnten. Das war ein Drängen und Fragen und Jubeln und Laufen an Bord, denn wunderbar rasch entfaltete sich mehr und mehr das eigenthümliche Leben der Bai vor ihren Augen; aber zum Antworten hatte Niemand Zeit oder Lust. Jeder wollte nur sehen - genießen, und achtete schon des Gegenwärtigen nicht mehr, denn gerad' voraus enthüllte sich mit jeder Schiffslänge mehr das eigentliche Ziel der langen Fahrt, die Hauptstadt ihrer goldenen Träume: San Francisco.
Noch hatten sie erst einzelne zerstreute Häuser und Zelte auf den dort nächsten Hängen erkannt; plötzlich aber, die /31/ Spitze der Landzunge umfahrend, lag die wunderlichste Stadt der Erde in ihrer ganzen Ausdehnung, vorn von Hunderten von abgetakelten Schiffen, im Hintergründe von kahlen Bergen umschlossen, vor ihnen da. Der eigene niederrasselnde Anker - die herrlichste Musik nach so langer Fahrt - brachte sie auch erst wieder zu sich selber und kündete den Passagieren, daß ihr passives Leben, dem sie sich fast ein halbes Jahr gezwungen hingegeben, jetzt einem thätigen, selbstständigen Raum machen müsse.
Der Anker faßte - das Hintertheil ihres Fahrzeugs schwang herum, den Bug der Einfahrt wieder zugekehrt, und zu gleicher Zeit fielen die Raaen und flatterten die gelösten Segel und kletterten die Matrosen nach oben, die in der scharfen Brise auswehende Leinwand fest zu beschlagen. Das Manöver aber, das zu jeder andern Zeit die Aufmerksamkeit der Passagiere gefesselt haben würde, blieb in diesem Augenblick von ihnen vollkommen unbeachtet. Da draußen war mehr zu sehen, als ihnen ihr eigenes Schiff und dessen Regierung bieten konnte, und wer von ihnen gerade nicht damit beschäftigt war, sein eigenes Gepäck zusammenzuraffen, hing gewiß an der Schanzkleidung und schaute hinüber nach dem lärmenden Leben und Treiben der Bai.
Dicht neben der Leontine, d. h. vielleicht zweihundert Schritte davon entfernt, lag eine Bremer Barke, die gleichfalls eben, oder doch vor ganz kurzer Zeit eingekommen schien; sie hatte wenigstens ein flachbodiges Boot langseits, in das die Seeleute die Güter der Passagiere hinabließen. Das Lichterfahrzeug war auch geräumig genug, eine ziemlich schwere Last und eine Anzahl von Menschen zu fassen. Kisten und Kasten, Ballen, Fässer, Koffer und Hutschachteln standen schon in Masse darin weggestaut, und die wunderlichste menschliche Fracht hütete überdies dabei ihr Eigenthum und wartete auf den Moment des Abstoßens.
Fast Alle waren bis an die Zähne bewaffnet mit Flinten, Pistolen, Säbeln und Dolchen; ganze Bündel Spaten, Spitzhacken und Brecheisen lagen ebenfalls in dem Boot aufgeschichtet, und ein paar matrosenähnliche Burschen mit rothen chinesischen Schärpen und Strohhüten auf - aber ohne /32/ Dolche und Pistolen - schienen die Führer des californischen Bootes zu sein.
„Alle an Bord?" rief jetzt der Steuermann der Bremer Barke vom Deck hinunter.
„Alle - Gott sei Dank, daß wir Euer nichtsnutziges Schiff hinter uns haben!" schrie einer der Passagiere.
„Ihr werdet froh sein, wenn Ihr hier trocken Brod zu kauen habt!" rief da der Capitain von seinem Quarterdeck aus.
„Und das wird uns gut schmecken, wenn wir Eure Fratze nicht mehr dabei anzusehen haben, Capitain Meier," lautete die wenig schmeichelhafte Antwort.
„Werft die Falle da los!" tönte der Ruf des Steuermanns über Deck - „na, was heißt das? - was schleppt Ihr das Boot noch weiter nach vorn? Hinunter mit den Tauen!"
„Ja woll, Stürmann!" lachte einer der Matrosen - „Alles in Ordnung! - soll gleich besorgt sein!"
„Halt! - was werft Ihr da noch hinunter?" schrie der Steuermann plötzlich, als sechs oder acht weißleinene, festgeschnürte Säcke in das Boot hinabflogen. „Was ist das? - was geht da vor?"
„Nichts, mein Herzchen; nur unsere Garderobe," lautete die Antwort des Matrosen zurück, und wie die Katzen folgten eben so viele der Seeleute ihrem vorangegangenen Eigenthum in das Boot.
„Halt - Donnerwetter, das wird zu viel!" riefen die beiden Eigenthümer erschreckt - „wir sinken!"
„Gott bewahre - Kameraden - stoßt ab! aho ih!" - und sich mit bestem Willen gegen die Seite ihres eigenen Schiffes legend, schoben sie das vierkantige Frachtfahrzeug ein Stück ab und in offenes Wasser hinaus.
„Ihr dürft nicht abstoßen! bleibt hier! - halt! meine Jolle hinunter!" schrie und tobte der Capitain auf seinem Deck herum, denn diese kecke Flucht der eigenen Leute, gerad' unter seinen Augen, war ihm doch außer dem Spaß. Die Bootführer kehrten sich aber entsetzlich wenig an seine СКАЧАТЬ