Limit up - Sieben Jahre schwerelos. Uwe Woitzig
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Название: Limit up - Sieben Jahre schwerelos

Автор: Uwe Woitzig

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

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isbn: 9783738003406

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СКАЧАТЬ Zeiten gehörte ich zu der „Dorchester-Ritz-Danieli“ – Liga, übernachtete also nur in den Suiten der besten 5-Sterne-Hotels dieser Welt, hatte Zugang zu ein paar der feinsten Jachten der Erde, flog mit eigenen Privatfliegern und speiste nur in den besten Restaurants. Ich badete an 70 % der Traumstrände dieses Planeten, hatte einen Teil der Sahara durchquert und unter anderem auf dem Wiener Opernball, dem Ball de Rose in Monte Carlo und am Faschingsdienstag auf dem Markusplatz in Venedig im sündteuren mittelalterlichen Kostüm getanzt. Ich hatte Staatsempfänge besucht und war dreimal mit einem „IATA-First-Class-Ticket-Round-The-World“ um die Erde zu allen Orten gereist, die ich kennenlernen wollte. Mein damaliger Pass war so voll mit Visa, dass keins mehr hineinpasste.

      Ich leitete mit diversen Partnern zusammen fast zehn Jahre lang vier Unternehmen gleichzeitig: ein deutsches Brokerhaus in München, eine deutsche Privatbank, einen privaten Fernsehsender und ein mit einem griechischen Multimillionär gegründetes Brokerhaus mit Sitz in Monte Carlo. Nebenbei war ich Vizepräsident der European Heritage Foundation. Ich verdiente jährlich im siebenstelligen Bereich und jettete pausenlos zu Geschäftsterminen in der ersten Klasse um die Welt. Mein Leben und mein Geschäftsimperium schien ich perfekt im Griff zu haben. Doch schließlich war ich wegen Betrugs im Knast gelandet. Vermutlich, weil ich dem Schicksal gegenüber noch eine Schuld zu begleichen hatte. Ich hatte mit der Arbeit in meinen Firmen gegen die Normen der sozialen Strukturen verstoßen und musste diese Schicksalsschuld begleichen.

      Nicht geläutert, aber mit wesentlichen, für mich damals neuen Erkenntnissen war ich nach zweieinhalb Jahren entlassen worden (siehe mein Buch „Hofgang im Handstand“).

      „Ist das alles dem Zufall zu verdanken, dass ich heute hier auf diesem Berg sitze?“ fragte ich mich. „Woher kam der Wunsch, der Gier nach Kohle, Anerkennung und Macht zu entfliehen, die einst mein Leben bestimmte? Aus mir selbst oder bin ich nur ein Spielball der Götter wie der berühmte Grieche, den Poseidon gnadenlos verfolgte und ihn über 20 Jahre Irrfahrten machen ließ? Gibt es überhaupt den freien Willen? Oder ist alles vorherbestimmt?“

      In dem Moment fiel mir ein, was ich über Kairos, den Gott des rechten Augenblicks, gelesen hatte. In der griechischen Mythologie wird er als ein Typ beschrieben, der ständig auf Zehenspitzen läuft, an den Füßen Flügeln und an der Stirn eine Haarlocke hat, am Hinterkopf aber kahlköpfig ist. Er ist dauernd verdammt schnell unterwegs. Wenn man ihm begegnet und ihn nicht rechtzeitig an seiner Haarlocke erwischt, ist er auf und davon. Daher stammt übrigens der Ausdruck, „eine Gelegenheit beim Schopfe packen“. Er erwartet eine schnelle Entscheidung, die aus der Intuition, dem Bauchgefühl kommen muss.

      Das bedeutet, dass es wenig Sinn macht, sich im Falle der Notwendigkeit einer Entscheidungsfindung hinzusetzen, ein Blatt Papier zu nehmen und auf zwei Spalten alle Für und Wider aufzulisten.

      Wie es ein unerfahrener Liebhaber wie der berühmte Astronom Kepler machte. Kepler war laut Berichten ein kleiner, unansehnlicher Typ, dem Frauen erst nach seinen wissenschaftlichen Erfolgen Beachtung schenkten. Er verfuhr mit elf „Kandidatinnen“ für eine Ehe mit ihm folgendermaßen: Penibel beobachtete er sie mehrere Jahre und listete alle ihre Charaktereigenschaften auf. Jahrelang konnte er zu keinem Ergebnis kommen. Als er sich endlich für eine entschied und ihr einen ernstgemeinten Heiratsantrag machte, wies sie ihn empört ab. Unwiderruflich. So viel zu rationalen Methoden der Entscheidungsfindung.

      Bei einer Begegnung mit Kairos darf die Ratio nur eine Rolle spielen, indem sie als Herrin der Risikokompetenz auf mögliche Gefahren hinweist. Die Frage, ob Mut zum Risiko zu zeigen, spontan Kairos´ Schopf zu ergreifen und sich von ihm auf einen neuen Weg mitnehmen zu lassen oder sich einen „Plan B“ als Fallschirm zu überlegen, darf man sich nicht stellen. Sonst ist die Gelegenheit verpasst. Aus Angst Pläne zu machen, ist absurd, weil das Leben sich niemals planen lässt. „Die Furcht zu irren ist möglicherweise der Irrtum selbst“ sagt Hegel.

      Also heißt es, die möglichen Risiken und Herausforderungen zu erkennen, abzuwägen und dann mit dem leichtfüßigen Kairos davon zu tanzen. Jeder kann nämlich in die Gerechtigkeit der Existenz vertrauen, die durch Kairos repräsentiert wird. Er ist ein echter Prüfstein für unser Urvertrauen. Nie wird ein gerechtes Universum einem Menschen durch Kairos eine Gelegenheit bieten und ihm damit verbundene Aufgaben stellen, die er mit den ihm gegebenen Fähigkeiten nicht lösen kann. Es gilt die Regel, dass ein frei umherziehender Herkules schwierigere Prüfungen bestehen kann als ein schwächlicher Haussklave.

      Ich dachte an die Worte Oscar Wildes: „Der Hässliche und der Dumme kommen auf dieser Welt am besten weg. Sie können gemütlich da sitzen und das Spiel begaffen. Wenn sie auch nichts vom Sieg wissen, es bleibt ihnen zumindest erspart, die Niederlage kennenzulernen. Sie leben so, wie wir alle leben sollten: ungestört, gleichgültig und ohne Ruhelosigkeit. Sie bringen weder Verderben über andere noch wird ihnen dergleichen durch andere zuteil.“

      Möglich, dass er mit seiner ironischen Sichtweise nicht unrecht hat und es sich besser lebt, wenn man die Begegnungen mit Kairos vermeidet. Denn Kairos ist der Gott des radikalen Neuanfangs. Sein Dolch hat eine messerscharfe Schneide, die teilt sowie verfallen und neu entstehen lässt. Daher kommt übrigens der Begriff „einen Schnitt machen“ für einen Neubeginn im Leben.

      Ein Tanz mit Kairos ist die Zeit der Außerkraftsetzung der Gesetze, der Ausnahmezustand, der über allem steht. Genau das reizte mich. Immer wieder hatte ich in meinem Leben seinen Schopf ergriffen und mich von ihm auf eine neue Reise mitnehmen lassen. Dabei Chronos, dem Gott der stetig verrinnenden Zeit und des scheinbar unabänderlichen Schicksals, arrogant und höhnisch ins Gesicht gelacht. Ohne zu bedenken, dass Kairos, dessen Erscheinen wir gerne als Zufall bezeichnen, nur der Wasserträger der Determination, also der Diener des Chronos ist. Der nahm mir diese Schmähung und Missachtung seiner Bedeutung für mein Leben sehr übel. Er verfolgte mich gnadenlos wie einst Poseidon den Odysseus und ließ mich jahrelang Nebenstrecken meiner Lebensbahn zurücklegen, bevor ich wieder auf die Hauptroute zurückkehren durfte.

      Die Erinnerungen an den Lebensabschnitt, in dem ich ständig hinter dem großen Geld herjagend durch die Welt gehetzt war, tauchten in mir auf und irritierten mich. Sie zerstörten die Harmonie des Augenblicks. Ich stand auf, ging ein paar Schritte zu der Kante eines schmalen Plateaus und ließ mich dort nieder. Meine Beine baumelten frei in der Luft. Wie bei dem Narren auf der Karte des Rider-Tarot, der entweder in den Abgrund stürzt oder zum Magier aufsteigt. Mit Blick über die Gipfel der Alpen auf den unendlichen Horizont ließ ich die entscheidenden Episoden aus dem Film meines Lebens an meinem geistigen Auge vorüberziehen.

      Kapitel 2

      Du bist deine Erfahrung. Darum solltest du mehr Erfahrung sammeln. Bevor du Wurzeln schlägst, solltest du so viele Erfahrungen wie möglich machen. Der wahre Mensch schlägt nie Wurzeln; der wahre Mensch bleibt immer heimatlos, ein Zigeuner, ein Wanderer, ein Vagabund der Seele. Er bleibt ständig auf der Suche, bleibt ein Forscher, ein Lernender – er wird nie zu einem Gelehrten. Darum habe keine Eile zu einem Gelehrten zu werden, bleibe ein Lernender. Ein Lernender zu bleiben hat eine ungeheure Schönheit und Würde, denn darin besteht das Leben.

      (Osho)

      Über ein Jahr war vergangen, seit sich die Gefängnistür für mich geöffnet hatte und ich in die sogenannte Freiheit zurückgekehrt war. An einem lauen Septemberabend raste ich mit sehr schlechter Laune in meinem silbergrauen Porsche GTI von Bozen nach München. Heute Morgen erst war ich aus New York zurückgekommen, wo ich mich an seinem Grab von meinem besten Freund Clinton verabschiedet hatte. Er war während meiner Haft gestorben. An Magenkrebs. Mit 45. Im allerbesten Mannesalter. Ohne den Knast wäre es mir vermutlich ähnlich ergangen. Angelo, der damalige Direktor meiner Firma in Monte Carlo, hatte mir kurz nach meiner Entlassung eher beiläufig am Telefon von Clints Tod erzählt. Mir war der Hörer aus der Hand gefallen, so geschockt war ich. Clint, mein bester Freund und Trauzeuge, war gegangen. Auf einmal СКАЧАТЬ