Название: Nach Amerika! Bd. 2
Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783753136035
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Was das für ein Leben ist zwischen den einen schauerlich warmen Fettgeruch und Dunst faulenden Obstes und angegangenen Fleisches ausstoßenden Fahrzeugen; wie die Eigentümer auf der Levée stehen, oder vorn in ihren Booten sitzen, Käufer herbeizurufen, und ihre Waren dabei ausschreien, die vorzügliche Qualität derselben anpreisend! Dazwischen durch dann das Drängen und Treiben der Arbeiter, die hier ein verkauftes Boot entladen, damit es nachher auseinandergeschlagen und in seinen Planken noch verwertet werden könne, dort eine Partie aufgekaufter Fässer und Kisten die steile Livée mühselig hinaufschaffen, und von Fett und Schmutz bedeckt unter ihren Lasten keuchen und schwitzen, bis die die Höhe der Levée erreicht haben, dort sich einen Augenblick die glühende, tropfende Stirn abtrocknen, und dann wieder schwanken Schritts niedersteigen, ihr Werk von Neuem zu beginnen.
Offenes Flatboat
Maulbeere fuhr mit seinem Schleifkarren, seinem Grundsatz treu, keinen Fleck unbesucht zu lassen, wo er die Hoffnung hatte, etwas verdienen zu können, oben an der Levée hin, dann und wann stehenbleibend, um seine schon auswändig gelernten Rufe: «No knifes, no scissors to grind?55» ertönen zu lassen. Hier und da bekam er auch wirklich zu tun, dort und da schaute ein behaubter Kopf unter einem der niedrigen Flatbootdecke vor, eine rauhe Stimme rief ihm ein «Stop!» zu, und irgendein rotwollener Unterrock, oder auch dann und wann ein schlankes, hübsches Kind in dem kleidsam eng anschließenden Mieder der Backwoodsfrauen, nur die feinen, rosigen Züge von dem unförmlichen Sonnenbonnet fast verhüllt, stieg die Bank zu ihm hinauf, eine widerspenstige Schere, mit der der Vater oder Gatte so lange Bindfaden geschnitten hatte, bis sie jeden weiteren Dienst verweigerte, wieder zu stellen und zu schärfen. Oder der Flatbootmann selber stieg langsam das Ufer hinan, ein riesiges, langes Messer in der Hand, mit dem er Speck und Käse schneiden mußte, und das er auch gern schärfer haben wollte, als es war. Solange er seinen Stein dann drehte, daß die hellen, blitzenden Funken daraus vorblitzten, drängte sich ein Kreis von neugierigen Müßiggängern, von denen die Levée schwärmt, um ihn her, nicht selten fast mehr von der wunderlichen Gestalt des Mannes selber, als von seiner Arbeit ergötzt, bis er die ihm gebrachten Instrumente in Stand gesetzt, sein Geld dafür eingestrichen und sein Tragband wieder eingehakt hatte, um mitten zwischen die Schar, die ihm lachend Raum gab, mit einem deutschen «Bitt’ um Verzeihung» hineinzufahren.
An manchen Stellen wurde er übrigens durch die dort aufgestapelten Fässer und Waren in seiner Bahn aufgehalten, und mußte einen Umweg machen, den Hindernissen aus dem Weg zu kommen. Eben auch war er wieder einer Anzahl fettglänzender und entsetzlich duftender Porkfässer56 ausgebogen, als er eine lachende Stimme seinen Namen nennen hörte. Wie er aber stehenblieb und sich überall vergebens nach einem bekannten Gesicht umschaute – denn auf die Arbeitsleute, von denen ein großer Teil gerade Mittag gemacht, während das Ausladen noch nicht wieder begonnen hatte, achtete er gar nicht – rief einer der Flatbootleute, die zwischen den heraufgerollten Pork- oder Schweinefässern standen, und von der schmutzigen Arbeit und Schweiß und Sonne in ihren kurzen blauen Oberhemden und abgetragenen oder zerdrückten Strohhüten kaum eine Physiognomie erkennen ließen, indem er dem Scherenschleifer freundlich zunickte:
«Aber, Herr Maulbeere, kennen Sie mich nicht mehr?»
«Wetter noch einmal!» sagte dieser, seinen Karren niedersetzend und die Gestalt erstaunt von oben bis unten betrachtend. «Die Stimme ist mir bekannt und das Gesicht auch, hat wenigstens, wie Herr Schulze sagen würde, eine merkwürdige Ähnlichkeit mit einer Nebelkrähe oder einem Schornsteinfeger.»
«Habe ich mich denn in den paar Tagen so merkwürdig verändert», lachte der Mann, seinen Hut abnehmend, unter dem eine Fülle kastanienbraunen, lockigen Haares vorfiel, «daß mich mein Reisegefährte und Kojennachbar nicht einmal mehr kennt?»
«Herr Eltrich – so wahr ich lebe!» sagte Maulbeere, jetzt aber wirklich auf das Äußerste erstaunt. «Wie um Gottes Willen sehen Sie denn aber aus, und was machen Sie hier in dem Aufzug und bei d e r Arbeit?»
«Mein Schicksal ist bald erzählt», sagte der junge Mann mit lachendem Gesicht, aber doch kaum imstande, einen gewaltsam aufsteigenden Seufzer zu unterdrücken. «Kaum hier in New Orleans angekommen, ließ ich mir auf leichtsinnig kindische Weise – ich war genug davor gewarnt worden – und von dem Neuen, was mich überall umgab, beirrt, von dem Neger, der mein sämtliches Gepäck auf seinem Karren hatte, dieses mit allen unseren Effekten, ein paar Kleinigkeiten, die meine Frau in der Hand trug, ausgenommen, entführen. Von allem entblößt, was schon der einzelne Mann, wie viel mehr eine Familie zu ihrem Leben braucht, sah ich, wenn ich nicht rasch Anstalt machte, Geld zu verdienen, unseren Untergang, oder doch einen Zustand grenzenloser Not vor Augen. Vergebens lief ich dabei herum, in meiner Kunst Beschäftigung zu erhalten – ich konnte mich nicht einmal anständig kleiden, denn es war ja alles zum Teufel, und mit etwas abgerissen aussehenden Menschen wollte sich niemand einlassen. Wir aber brauchten auch außerdem Brot, ein paar Dollars, die ich noch im Vermögen besaß, nahmen schon in der ersten Woche so rasend schnell ab, daß ich mir genau die Zeit berechnen konnte, wo wir, wenn nicht irgendetwas geschah, das aufzuhalten, auch ohne einen Pfennig dasitzen würden, und ich entschloß mich kurz und gut, Arbeit zu suchen und zu nehmen, wo ich sie finden würde. Drei Tage lief ich auch hiernach vergebens herum; der gute Wille tat es nicht allein, denn die wieder gesundere Jahreszeit in New Orleans hatte eine wahre Unmasse von Arbeitern hierher zurückgeworfen, bis ich, eigentlich in letzter Verzweiflung, diese Boote besuchend, Arbeit und guten Lohn auf einem von ihnen fand. Es hatte gerade seine Leute streiteshalber, den sie mit dem Eigentümer gehabt, entlassen.»
«Und d i e Arbeit hier können Sie tun?» sagte Maulbeere, abwechselnd und erstaunt bald die leichte, schmächtige Gestalt, und die sonst so feinen, jetzt fettbeschmutzten Hände des jungen Mannes, bald die schweren Pork- und Mehlfässer betrachtend, die um ihn her aufgestapelt lagen.
«Der Mensch kann alles, was er m u ß », lachte der junge Mann. «Früher hab’ ich es freilich selber nicht für möglich gehalten, jetzt aber geht es, und alles berücksichtigt, sogar vortrefflich, denn ich verdiene, außer der Kost, einen Dollar den Tag, und befinde mich vollkommen wohl und gesund dabei.»
«Und Ihre Frau?»
«Pflegt zuhause das Kind und weint und lacht, wenn sie mich in diesem Aufzug ankommen sieht. – Ich habe sie aber noch nicht bewegen können, einmal mit dem Kleinen hier herunterzukommen und unserer Arbeit zuzusehen – sie meint, es bräche ihr das Herz.»
«Bah», sagte Maulbeere kopfschüttelnd, «wenn S i e sich nicht den Rücken bei den verdammt schweren Fässern brechen, glaube ich nicht, daß Gefahr für Ihrer Frau Herz zu fürchten ist, aber – was Leichteres wäre mir doch auch lieber. Ich weiß nicht, den Begriff Amerika habe ich mir anders gedacht, als Fässer gepökelten Schweinefleisches bergauf zu kollern.»
«Ich auch, lieber Maulbeere, ich auch, aber was wollen wir machen?» lächelte Eltrich. «Hunger tut weh und ehrliche Arbeit schändet hier nicht, das ist schon ein ungeheurer Vorteil dieses freien Landes – andere habe ich allerdings noch keine Gelegenheit gehabt, kennenzulernen.»
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