Название: Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen
Автор: Ludwig Bechstein
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742749215
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Schwester, welche einen Codex aureus der Evangelien
schrieb.
Und nahe bei Sankt Maximin liegt auf diesem
uralt-heiligen Boden des Trierschen Gaues die Abtei
zu Sankt Paulini. Die Krypta dieses Klosters ward
zum riesigen Aschenkrug für eine Reihe der vornehmsten
Martyrer. Rictiovar, Kaiser Maximinians Präfekt,
verfolgte auf seines Herrn Befehl die christliche sogenannte
Thebanische Legion allenthalben, auch in dieser
Gegend, und mordete schonungslos. Paulinus,
Triers Erzbischof, wurde in eisernen Ketten
aufgehenkt; einen der Heerführer der Legion namens
Tirsus, begrub man zur linken Paulins, den Konsul
Palmatius ihm zur rechten Hand. Zu Häupten des
Heiligen ruhten sieben Ratsherrn, die mit den Thebanern
zugleich die Martyrerkrone empfingen, unter
ihnen einer des Namens Maxentius. An diese reihten
sich Constantius, Crescentius, Justinus, Leander, Alexander,
Soter, die letzten drei Brüder. Zu Sankt Paulini
Füßen wurden vier Martyrer beigesetzt, welche
Rictiovar vor seinen Augen enthaupten ließ nach vorhergegangenen
gräßlichen Martern: Hormisda, Papinius,
Constans und Jovianus. Das Blut der gemordeten
Tausende in Trier und auf diesem Gebiete floß in
Bächen hinab zur Mosel und färbte ihre Wogen weit
hinab rot, bis zum Schlosse Neumagen.
92. Die heilige Genofeva
Zu Pfalzel, sonst Pfälzel (kleine Pfalz), an der Mosel,
steht ein getürmtes Haus, das Genofevenhaus geheißen,
da lebte zu Erzbischof Hildulfs in Trier Zeiten
ein Pfalzgraf Siegfried, der hatte eine treue und fromme
Gemahlin, eines Herzogs Tochter aus Brabant.
Aber es geschah, daß Siegfried in das Heilige Land
ziehen mußte, ließ daher sein Weib in seiner Pfalz am
Moselstrome zurück und übergab sie in die Obhut
eines vertrauten Dienstmannes, des Namens Golo.
Bevor der Pfalzgraf aber von hinnen schied, letzte er
sich mit seiner Genofeva noch einmal herzlich, und
sie empfing einen Sohn von ihm. Golo aber war ein
schlimmer Hüter, er entbrannte in Liebe zu der schönen
Herrin und begann Ränke zu schmieden, schrieb
falsche Briefe, als sei Siegfried mit all den Seinen im
Meere ertrunken, und las sie der Pfalzgräfin vor, und
gestand ihr seine Liebe, und wollte sie umarmen, sie
wehrte ihn aber mit einem Faustschlag ins Gesicht ab;
nun verwandelte sich seine Liebe in bittern Haß; er
entzog der Pfalzgräfin alle Bedienung, und als ihre
Stunde nahte, wo sie des Söhnleins entbunden werden
sollte, hatte sie niemand zum Beistand als eine alte
Waschfrau. Da kam Botschaft in ihr Haus, daß ihr
Herr lebe und heimkehre, des erschrak Golo, der Ver-
räter, bis zum Tode und suchte Rat bei einem alten
Hexenweibe, das riet ihm teuflischen Rat: Golo solle
dem Pfalzgrafen einreden, der schöne Sohn Genofevas
sei mitnichten der seine, wie er selbst berechnen
könne, sondern Drakos, des Kochs. Solches tat Golo,
indem er seinem Herrn entgegenreiste; da ward Siegfried
sehr betrübt und wußte nicht, wie er sich des
Weibes, das ihn nach des Lügners treulosem Bericht
geschändet hatte, abtun solle. Da riet Golo, daß er
Genofeva samt ihrem Kinde an ein Wasser führen und
sie beide ersäufen wolle, und Siegfried willigte ein.
Darauf bestellte Golo zwei Knechte, die mußten Genofeva
und ihren Sohn hinwegführen und sollten sie
umbringen, so oder so. Unterwegs aber jammerte den
Knechten die schöne Frau und das schöne Kind, und
sprachen untereinander: Was kann diese Frau verbrochen
haben? Und was hat sie uns getan? Sollte ihr zu
sterben bestimmt sein, brauchen wir ihr doch nicht
das Leben zu nehmen. Wir wollen dem Hund, der da
mit uns läuft, die Zunge ausschneiden und Golo zeigen,
zum Wahrzeichen, daß wir die Frau getötet, und
sie gehen lassen.
Und so taten die Knechte und ließen die arme Genofeva
mit ihrem Kinde trostlos und weinend und betend
in öder Wildnis zurück. Das Kind nannte Genofeva
Schmerzenreich, es zählte noch keine dreißig
Tage, und der Schmerz vertrocknete alle Milch in sei-
ner Mutter Brust. Da flehte die arme junge Mutter zur
Mutter aller Schmerzen und aller Seligkeiten, und die
ewige Jungfrau neigte der Verlassenen liebend ihre
Gnade zu. Aus dem Waldesdickicht trat eine Hindin,
die lagerte sich vor Genofeva hin, und Genofeva legte
ihr Söhnlein an die Zitzen des Tieres, sich selbst aber