Название: Middlemarch
Автор: George Eliot
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783752988956
isbn:
»Nein; aber an solcher Musik würde ich Freude haben,« sagte Dorothea. »Als wir von Lausanne nach Hause reisten, ließ uns Onkel in Freiburg die große Orgel hören, und diese Töne rührten mich zu Tränen.«
»Solche Rührungen sind nicht gesund, mein Kind,« entgegnete Herr Brooke; »Casaubon, sie kommt jetzt in Ihre Hände, Sie müssen meine Nichte lehren, die Dinge ruhiger zu nehmen, wie Dorothea?«
Er brach lächelnd ab, denn er wollte seine Nichte nicht verletzen, dachte aber bei sich, daß es vielleicht wirklich besser für sie sei, sich früh mit einem so nüchternen Patron wie Casaubon zu verheiraten, da sie doch von Chettam nichts wissen wolle.
»Aber es ist doch merkwürdig,« dachte er, als er zum Zimmer hinauswackelte, »es ist merkwürdig, daß er ihr gefällt. Indessen die Partie ist gut; ich würde meine vormundschaftlichen Befugnisse überschritten haben, wenn ich mich der Heirat widersetzt hätte, – Frau Cadwallader mag sagen, was sie will! Es ist so gut wie gewiß, daß Casaubon noch einmal Bischof wird, – so gut wie gewiß. Seine Flugschrift über die katholische Frage kam sehr zur rechten Zeit; eine Dechantenstelle ist das Wenigste, worauf er rechnen kann. Sie sind ihm eine Dechantenstelle schuldig.«
Und hier muß ich mir von dem Leser die Erlaubnis zu einer philosophischen Reflexion erbitten, welche ich an die Bemerkung knüpfe, daß Herr Brooke bei dieser Gelegenheit noch nicht daran dachte, daß er später einmal eine radikale Rede gegen die Einnahmen der Bischöfe halten werde. Welcher gewandte Historiker würde sich eine so verlockende Gelegenheit entgehen lassen, darauf hinzuweisen, daß seine Helden weder die Weltgeschichte, noch selbst ihre eigenen Handlungen voraussahen. Zum Beispiel, daß Heinrich von Navarra, als protestantisches Kind, nicht daran dachte, einmal ein katholischer Monarch zu werden; oder daß Alfred der Große, als er die Stunden seiner arbeitsamen Nächte an brennenden Kerzen maß, keine Ahnung davon hatte, daß künftig einmal die Menschen die Stunden ihrer müßigen Tage an Uhren messen würden. Hier liegt eine Mine der Wahrheit, deren Schätze, selbst bei der emsigsten Ausbeutung doch wohl den Inhalt unserer Kohlengruben noch überdauern würden.
In Bezug auf Herrn Brooke muß ich aber noch eine, vielleicht weniger durch Präzedenzfälle unterstützte Bemerkung hinzufügen, nämlich die, daß es bei ihm, auch wenn er den Inhalt seiner künftigen Rede vorausgewußt hätte, doch keinen großen Unterschied gemacht haben würde. Mit Vergnügen daran zu denken, daß der Gatte seiner Nichte sich einer großen geistlichen Einnahme erfreue, war Eines, – eine liberale Rede zu halten, war ein Anderes. Das wäre ja auch ein beschränkter Geist, der einen Gegenstand nicht aus verschiedenen Gesichtspunkten zu betrachten vermöchte.
8
Oh, rescue her! I am her brother now,
And you her father. Every gentle maid
Should have a guardian in each gentleman.
Es war Sir James Chettam selbst sehr merkwürdig, wie viel Vergnügen er auch jetzt noch daran fand, nach Tipton-Hof zu gehen, nachdem er einmal die Schwierigkeit, Dorothea als die Braut eines Andern anzusehen, überwunden hatte. Natürlich durchzuckte es ihn bei der ersten Begegnung schmerzlich und er blieb sich während des ganzen Besuchs der Unbehaglichkeit seines Zustandes, die er geflissentlich zu verbergen suchte, sehr wohl bewußt; dabei dürfen wir aber doch nicht verhehlen, daß er bei aller Herzensgüte sich weniger unbehaglich fühlte, als es der Fall gewesen sein würde, wenn er die Verheiratung mit seinem glücklichen Nebenbuhler für eine glänzende und wünschenswerte hätte halten können. Er hatte durchaus nicht das Gefühl, durch Herrn Casaubon verdunkelt zu sein; es berührte ihn nur peinlich, daß Dorothea in einer so betrübenden Täuschung befangen war, und seine Kränkung verlor dadurch, daß sich Mitleid in dieselbe mischte, etwas von ihrer Bitterkeit.
Gleichwohl konnte sich Sir James, wenn er sich auch sagte, daß er jeden Gedanken an Dorothea aufgeben müsse, nachdem sie mit der naturwidrigen Verkehrtheit einer Desdemona eine ihr proponierte, offenbar sehr passende und naturgemäße Partie ausgeschlagen hatte, doch bei dem Gedanken an ihre Verlobung mit Casaubon noch nicht ganz beruhigen. Als er die Beiden zuerst nach ihrer Verlobung zusammen wieder sah, wollte es ihn bedünken, als habe er die Sache bis jetzt nicht ernst genug genommen; Brooke war wirklich zu tadeln, er hätte es nicht zugeben dürfen. Vielleicht konnte noch jetzt etwas geschehen, um die Heirat wenigstens aufzuschieben. Es fragte sich nur, wer zu diesem Zweck mit Brooke reden solle.
Auf seinem Heimwege sprach Sir James im Pfarrhause vor und fragte nach Herrn Cadwallader. Glücklicherweise war der Pfarrer dieses Mal zu Hause und Sir James wurde in sein Studierzimmer geführt, an dessen Wänden ein reicher Vorrat von Fischgerätschaften hing. Der Pfarrer selbst war in einem anstoßenden Zimmer an einer Drechselbank beschäftigt und rief dem eintretenden Baronet zu, doch da hinein zu kommen. Die Beiden standen auf besserem Fuße mit einander, als sonst irgend ein Grundbesitzer mit einem Geistlichen in der Grafschaft, – eine bedeutsame Tatsache, die aber ganz dem freundlichen Ausdrucke ihrer beiden Gesichter entsprach.
Herr Cadwallader war ein Mann von hoher kräftiger Statur, um dessen volle Lippen immer ein mildes Lächeln schwebte, ein Mann von häßlichem und nicht sehr feinen Äußern, aber von jener soliden und unerschütterlichen Behaglichkeit des Wesens, welche sich Anderen mitzuteilen pflegt und, – gleich großen, grasbewachsenen Hügeln im Sonnenschein –, selbst auf egoistische Aufgeregtheit eine so beruhigende Wirkung übt, daß sie dieselbe, wenigstens auf Augenblicke, zu einer beschämenden Selbsterkenntnis bringt.
»Nun, wie geht es Ihnen?« sagte er, indem er Sir James seine zum Darreichen nicht eben geeignete Hand zeigte. »Es tut mir leid, daß Sie mich neulich verfehlt haben. Führt Sie etwas Besonderes zu mir? Sie sehen verstimmt aus.«
Sir James' Stirn war leicht gerunzelt, und seine Augenbrauen etwas herabgezogen, ein Ausdruck, den er absichtlich noch stärker hervortreten zu lassen schien, als er antwortete:
»Mich verdrießt nur Brooke's Benehmen! Ich glaube, es müßte noch Jemand mit ihm reden.«
»Was? Will er sich wirklich zum Kandidaten aufstellen lassen?« fragte Herr Cadwallader, während er fortfuhr, die kleinen Fischgerätschaften, die er sich eben gedrechselt hatte, in Ordnung zu bringen. »Ich glaube nicht, daß es ihm Ernst damit ist. Aber wenn es ihm wirklich Vergnügen macht, was ist denn Schlimmes daran? Jeder, der mit Whiggismus nichts im Sinne hat, sollte froh sein, wenn die Whigs nicht gerade die besten Köpfe aufstellen. Wenn sie keinen andern Sturmbock ins Feld führen, als unseren Freund Brooke, so werden sie schwerlich die Verfassung über den Haufen werfen.«
»O, davon rede ich nicht,« erwiderte Sir James, welcher, nachdem er seinen Hut abgelegt und sich in einen Sessel geworfen hatte, mit einem sehr sauern Gesichte sein Bein wiegte und seine Fußsohle betrachtete. »Ich rede von dieser Heirat, davon, daß er das blühende Mädchen den Casaubon heiraten läßt.«
»Was haben Sie gegen Casaubon? Ich sehe nichts Schlimmes dabei, – wenn er dem Mädchen gefällt!«
»Sie ist zu jung, um zu wissen, was ihr gefällt. Ihr Vormund sollte sich ins Mittel legen. Er sollte nicht zugeben, daß die Sache in einer so überstürzten Weise vor sich geht. Ich begreife nicht, wie Sie, Cadwallader, mit Ihrem vortrefflichen Herzen, und der Sie selbst Töchter haben, die Sache so gleichgültig ansehen können. Denken Sie doch einmal ernstlich darüber nach.«
»Ich scherze durchaus nicht, ich bin so ernsthaft wie möglich,« erwiderte der Pfarrer, indem er dabei, zu Sir James Verdruss, behaglich in sich hineinlachte. »Sie sind ja gerade so schlimm wie meine Frau. Die hat von mir verlangt, ich solle hingehen und Brooke zur Rede stellen, und ich habe sie daran erinnern müssen, daß ihre Familie eine sehr geringe СКАЧАТЬ