Название: Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang
Автор: Johann Gottfried Herder
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 4064066398903
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Der Richter, die durch weißes Haar
Und langen Bart ehrwürdig war!
Schon blinkt der Geir im Sonnenstrahl!
Schon strömt die Purpur-Wunde!
Schon öffnen Endils Wölfe
Auf meinen Feind den giergen Schlund!
Ach mir Unglücklichen! Da schlüpft
Die Ferse mir im schwarzen Blut
Da stürz ich hin, und über mich
Mein sterbender Feind! –
Schmach, Wuth und Scham
Begrub mich noch im Todes-Schlummer,
Als mich ein jammernd Klaggeschrey
Vom Oceane her erweckt.
Ich seh, ich seh! – o Schauer! o Entsetzen!
Ach, warum lebt ich, es zu sehn? –
Ich sehe meinen Freund, den besten
Der Menschen, meinen treuen Halvard,
Der Freundschaft Urbild, itzt des Todes Bild,
Im Schleyer der ewgen Nacht gehüllt.
Zu meinen Füßen lag er, seufzte noch,
Und hob die schwere Brust – Ihn hatte
Sein eignes Schwert, zu eingedenk
Des hohen Schwurs, gestürzt, da er
Mich fallen sah – Ach! wehe, wehe, mir!
Warum mußt ihn ein falscher Anblick trügen?
Warum sein erster Anblick seines Freunds?
Nicht darum war er, nach drey langen Jahren,
Dem Busen seines Thorlaugs zugeeilt! –
Ich warf verzweiflungsvoll
Auf seinen Leib mich hin, verbarg
Mein Angesicht in seine Brust, und schluchzte!
"Ach nein, Halvard, du bist nicht todt?
"Nein! bey den Göttern, nein! du schlummerst nur!
"Es ist ein dichter Schlaf, der dich erquickt!"
Umsonst! umsonst! Die lange Nacht
Versiegelte sein Helden-Auge!
Er war auf Ewig mir entschlummert!
Man riß mich grausam aus des Todten Arm.
Mit wildem und gebrochnem Blick schaut ich
Zum Himmel! Da ermannt ich mich,
Und sprach: Ich will dem theuren Mörder
Ein Grabmaal baun, und seinem Hügel nah
Ein Brand-Altar erbaun, zur Ehre
Der Freundschaft! des Unsterblichen!
Ich thats; mein letztes Opfer flammte
Durch Wolken auf; ich schwung dreymal
Mein Schwert, durchstieß mein brechend Herz,
Und sank vergnügt auf seinen Holzstoß nieder.
Die Schaar der Staunenden ließ meine Glieder
Zur Asche glühn, und senkte dann,
Dem Hügel meines Freunds zur Seite,
Des Staubes Urn in diese Gruft,
Der sie dieß zweyte Denkmaal weihte,
Das freundschaftlich im heiligen Schatten
Dem Wandrer süße Schwermuth winkt,
Und zur Begeistrung ihn erhebt,
Mein banger ahndungsvoller Geist
Hielt bey dem frommen Schauspiel sich
Nicht auf, und flatterte verfinstert
Durchs unbegränzte Leere
Dem Schatten des Geliebten nach.
Vierter Gesang
Und doch – leichtgläubiges Gefühl! –
Ist alles dieß mehr als ein Gaukelspiel?
Kann dieß die Stätte seyn, wo wir
Ins Thal des Schweigens flohn? Kaum glaub ich dir!
Wie reizend, wie bezaubernd lacht
Die heitre Gegend! wie voll sanfter Pracht!
In schönrer Majestät, in reiferm Strahle
Glänzt diese Sonne! Milder fließt vom Thale
Mir fremder Blüthen Frühlings-Duft;
Und Balsamgeister ströhmen durch die Luft,
Unübersehlich malt die Blumen-Flur
Sich meinem Aug, und die Natur
Ist rings umher ein Garten! – Welcher Gott
Schmiegt eine Wildniß unter das Gebot
Der Schönheit, Ordnung, Fruchtbarkeit?
Wer ists, der Wüsteneyn gebeut,
Sich in entfernter Sonnen Glut zu tauchen,
Und unbekannte Spezereyn zu hauchen? –
Ha! nicht also, im festlichen Gewand,
Grüßt ich dich einst, mein mütterliches Land!
Unfreundlich, ungeschmückt, und rauh und wüste,
Im trüben Dunkel schauerte die Küste;
Kein Himmel leuchtete mild durch den Hayn;
Kein Tag der Aehren lud zu Freuden ein;
In Hölen lauschte СКАЧАТЬ