Название: Sinclair Lewis: Die großen Romane
Автор: Sinclair Lewis
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 4066338121196
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»Oh, wie weise haben Sie über die Frauen gesprochen, Dekan!« jammerte er. »Etwas Schreckliches ist geschehen! Mein Mädel – ihr Vater und ich haben sie soeben in den Armen eines anderen Manns gefunden – eines regelrechten Bruders Liederlich von dort draußen. Ich kann nie wieder hin, nicht einmal für die Osterandachten. Ihr Vater ist derselben Ansicht wie ich … Sie können ihn fragen!«
»Nun, es tut mir sehr leid, das zu hören, Bruder Gantry. Ich wußte gar nicht, daß Sie so tief empfinden können. Sollen wir im Gebet niederknien und den Herrn bitten, Sie zu trösten? Für den Ostergottesdienst werde ich Bruder Shallard hinausschicken – er kennt das Feld.«
Auf seinen Knien erzählte Elmer dem Herrn, daß ihm mitgespielt worden wäre wie keinem Mann vor oder nach ihm. Der Dekan war von seinem Schmerz sehr gerührt.
»Na, na, mein Junge. Der Herr wird schon Ihre Bürde erleichtern, wenn er es für gut hält. Vielleicht wird das zu einem verborgenen Segen – Sie haben Glück, daß Sie so ein Weib loswerden, und das wird Ihnen jene Demut geben, jenes tiefere Dürsten nach der Rechtfertigung, dessen Fehlen ich immer an Ihnen empfunden habe, trotz Ihrer glänzenden Kanzelstimme. Und ich habe auch etwas, das Sie von Ihren Sorgen ablenken wird. Am Rand von Monarch steht eine recht hübsche kleine Kapelle, für die ein Vikar fehlt. Ich hatte vor, Bruder Hudkins zu senden – Sie kennen ihn; das ist der alte pensionierte Prediger, der draußen bei der Ziegelei wohnt – er kommt ab und zu in die Vorlesungen – ich hatte vor, ihn für den Ostergottesdienst hinzuschicken. Aber ich werde Sie an seiner Stelle schicken, und wenn Sie mit dem Ausschuß sprechen, glaub' ich sogar, daß Sie sich diesen Posten als regulären sichern können, mindestens bis zu Ihrem Schlußexamen. Sie zahlen fünfzehn für den Sonntag und Ihre Reisespesen. Und wenn Sie in einer Stadt wie Monarch sind, können Sie den Predigerverein besuchen und so weiter – jede Woche bis Montag mittag drüben bleiben – und schöne Bekanntschaften machen, so daß Sie vielleicht schon im nächsten Sommer als Hilfsprediger für eine der großen Kirchen in Betracht gezogen werden. Sie haben einen Vormittagszug nach Monarch – zehn Uhr einundzwanzig, nicht? Sie werden morgen früh mit diesem Zug hinüberfahren und einen Rechtsanwalt namens Eversley aufsuchen. Er hat ein Bureau – wo hab' ich denn seinen Brief? – sein Bureau ist im Royal Trust Company Building. Er ist Diakon. Ich werd ihm telegraphieren, damit er morgen nachmittag auch dort ist oder wenigstens Nachricht für Sie hinterläßt, und dann können Sie selbst Ihre Verabredungen treffen. Sie heißt Flowerdale-Baptistenkirche, es ist eine wirklich nette, kleine moderne Kolonie mit lieben Leuten. Jetzt gehen Sie in Ihr Zimmer und beten Sie, und ich bin überzeugt davon, daß Ihnen bald besser sein wird.«
2
Ein freudestrahlender Elmer Gantry war es, der sich in den Zehn-Uhr-einundzwanzig-Zug nach Monarch, einer Stadt von etwa dreihunderttausend Einwohnern, setzte. Er saß im Personenwagen und dachte über seine Osteransprache nach. Herr Gott noch einmal! Seine erste Predigt in einer richtigen Stadt! Das konnte zu etwas führen. Am besten, ihnen was Tüchtiges, Rührendes zu geben. Mal sehen: Es dürfte nichts sein mit diesem Christ-ist-erstanden-Zeugs; es müßte natürlich erwähnt, gerade noch reingebracht werden, aber das Thema müßte ein anderes sein. Mal sehen: Glaube. Hoffnung. Reue nein, besser langsam mit dem Reuegedanken; der Diakon Eversley, der Rechtsanwalt, könnte ziemlich wohlhabend sein und bös werden, wenn man andeutete, daß er vielleicht etwas zu bereuen hätte. Mal sehen: Mut. Keuschheit. Liebe – das war's – Liebe!
Und er machte hastig Notizen, direkt aus dem eigenen Kopf, auf die Rückseite eines Briefumschlages:
Liebe: ein Regenbogen M.- & A.-Stern von der Wiege bis zum Grab inspiriert Kunst usw. Musik, Stimme der Liebe den Atheisten usw. eins auswischen, die die Liebe nicht würdigen.
»Sie sind wohl Zeitungsmensch«, sagte eine Stimme neben ihm.
Elmer sah sich um und erblickte einen kleinen Mann mit einer Whiskynase und vielen Lachfältchen um die Augen, einen ziemlich auffällig angezogenen Mann mit der roten Krawatte, die man 1906 noch als Attribut der Sozialisten und Trinker ansah.
Mit so einem kleinen Mann würde er sich eigentlich recht gut amüsieren können, überlegte Elmer. Ein Reisender. Was würde mehr Spaß machen: ganz einfach natürlich mit ihm zu sein, oder ihn zu fragen, ob er gerettet wäre, und zuzuschauen, wie er sich krümmte? Teufel auch, er hatte genug frommes Zeug in Monarch zu tun. Er setzte also sein bestes Prachtkerlslächeln auf und antwortete:
»Na, nicht ganz. Ziemlich warm für so früh am Tag, was?«
»Ja, kann man wohl sagen. Längere Zeit in Babylon gewesen?«
»Nein, nicht sehr lang.«
»Schöne Stadt. Menge Geschäfte dort.«
»Und ob. Und auch paar nette kleine Dämchen.«
Der kleine Mann kicherte. »So, so? Na, hören Sie, Sie könnten mir paar Adressen geben. Ich hab' die Stadt jeden Monat einmal auf der Tour, und, weiß der liebe Himmel, noch keinen einzigen Unterrock bis jetzt aufgegabelt. Aber es ist 'ne gute Stadt. 'Ne Menge Geld dort.«
»Jawoll, das ist Tatsache. 'Ne gute, betriebsame Stadt. Schneller Umsatz dort, recht ordentlich. 'Ne Menge Geld in Babylon.«
»Obwohl man mir erzählt hat,« sagte der kleine Mann, »daß dort eine von den Predigerfabriken ist.«
»Was Sie nicht sagen!«
»Ja, ja. Hören Sie, Bruder, jetzt werden Sie lachen, Wissen Sie, wofür ich Sie auf den ersten Blick gehalten hab' – mit Ihrem schwarzen Anzug und dem Notizen machen? Ich hab' gemeint, vielleicht wären Sie selber 'n Prediger!«
»Na –«
Herr Gott, das war nicht auszuhalten! Wo er jeden Sonntag in Schoenheim so anständig sein mußte – Diakon Bains fragte unaufhörlich diese blöden Sachen über die Prädestination oder so vermaledeites Zeug. Sicherlich hätte er sich bißchen Ferien verdient. Und ein Junge wie der Mensch, der würde ja richtig auf einen runterschauen, wenn man sagte, daß man Geistlicher sei.
Im Zug war es lärmend. Wenn irgendein Hahn in der Nachbarschaft dreimal krähte, hörte Elmer es nicht, während er polterte:
»Na, weiß der liebe Himmel! Obwohl –« So düster er nur konnte: »Dieser schwarze Anzug bedeutet zufällig Trauer für jemand, der mir sehr lieb war.«
»Ach, hören Sie, Bruder, jetzt müssen Sie mich aber entschuldigen, mir geht immer das Maulwerk durch!«
»Oh, das hat nichts zu bedeuten.«
»Na, drücken wir uns die Hand, und ich werd wissen, daß Sie mir nicht bös sind.«
»Aber gewiß nicht.«
Von dem kleinen Mann kam ein Whiskyduft, der Elmer gewaltig aufregte. Es war schon so lange her, seitdem er das letztemal etwas getrunken hatte! Seit zwei Monaten nichts außer ein paar Schlückchen Apfelmost im »Stadium«, die Lulu pflichteifrig aus dem Faß ihres Vaters für ihn gestohlen hatte.
»Also, in was machen Sie, Bruder?« fragte der kleine Mann.
»Ich bin in der Schuhbranche.«
»Na, das ist ja eine recht hübsche Branche. Jawohl Verehrtester, Schuhe muß man tragen, ob man bei Pinke ist oder nicht. Ich heiße Ad Locust – Jesus, wenn ich dran denk', daß man mich Adney getauft СКАЧАТЬ