Название: PLATON - Gesammelte Werke
Автор: Platon
Издательство: Bookwire
Жанр: Философия
isbn: 4066338120939
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Euthyphron: Was hindert uns, Sokrates?
Sokrates: Mich wohl nichts, Euthyphron; aber du überlege dir deinerseits, ob du dies zum Grunde legend mich am leichtesten das lehren kannst, was du versprochen hast.
Euthyphron: Ich möchte allerdings behaupten, das sei das fromme, was alle Götter lieben, und gegenteils was alle Götter hassen sei ruchlos.
Sokrates: Wollen wir nun nicht wieder dieses in Betrachtung ziehen ob es gut gesagt ist, Euthyphron? oder es lassen, und so leicht mit uns selbst und andern zufrieden sein, daß wenn nur Jemand behauptet, etwas verhalte sich so, wir es gleich einräumen und annehmen? oder muß man erst erwägen, was der wohl sagt, der etwas sagt?
Euthyphron: Erwägen muß man es; ich jedoch glaube, dieses ist nun richtig gesagt.
Sokrates: Bald, mein Guter, werden wir es besser wissen. Bedenke dir nämlich nur dieses, ob wohl das fromme, weil es fromm ist, von den Göttern geliebt wird, oder ob es, weil es geliebt wird, fromm ist?
(10) Euthyphron: Ich verstehe nicht was du meinst, Sokrates.
Sokrates: So will ich versuchen es dir deutlicher zu erklären. Wir nennen doch etwas bewegt und bewegend, getrieben und treibend, gesehen und sehend, und Alles dergleichen siehst du doch ein, daß es verschieden ist und auch wie es verschieden ist.
Euthyphron: Dies glaube ich einzusehn.
Sokrates: Gibt es nicht eben so auch ein Geliebtes, und von diesem verschieden das Liebende?
Euthyphron: Wie sollte es nicht?
Sokrates: So sage mir denn, ob das bewegte deswegen, weil es bewegt wird, ein Bewegtes ist, oder wegen etwas anderen?
Euthyphron: Nein, sondern deswegen.
Sokrates: Auch das getriebene also, weil es getrieben wird? und das gesehene, weil es gesehen wird?
Euthyphron: Allerdings.
Sokrates: Nicht also weil es ein Gesehenes ist, deshalb wird es gesehen; sondern im Gegenteil, weil es gesehen wird, deshalb ist es ein Gesehenes. Und nicht weil etwas ein Getriebenes ist, deshalb wird es getrieben; sondern weil es getrieben wird, deshalb ist es ein Getriebenes. Noch auch weil es ein Bewegtes ist, deshalb wird es bewegt; sondern weil es bewegt wird ist es ein Bewegtes. Ist dir nun deutlich, Euthyphron, was ich sagen will? Ich will nämlich dieses sagen, wenn etwas irgendwie wird, oder irgend etwas leidet: so wird es nicht, weil es ein Werdendes ist, sondern weil es wird ist es ein Werdendes; noch weil es ein Leidendes ist leidet es; sondern weil es leidet, ist es ein Leidendes. Oder gibst du das nicht zu?
Euthyphron: Ich gewiß.
Sokrates: Ist nun nicht auch das geliebte ein etwas Werdendes, oder ein etwas von einem andern Leidendes?
Euthyphron: Freilich.
Sokrates: Auch dieses also verhält sich so wie das bisherige; nicht weil es ein Geliebtes ist, wird es geliebt von denen die es lieben, sondern weil es geliebt wird ist es ein Geliebtes.
Euthyphron: Notwendig.
Sokrates: Was sagen wir also von dem frommen, Euthyphron? Nicht daß es von allen Göttern geliebt wird, wie die Erklärung lautet?
Euthyphron: Ja.
Sokrates: Ob wohl deshalb, weil es fromm ist, oder anders weshalb?
Euthyphron: Nein, sondern deshalb.
Sokrates: Also weil es fromm ist, deshalb wird es geliebt, und nicht weil es geliebt wird, deshalb ist es fromm.
Euthyphron: So scheint es.
Sokrates: Das Gottgefällige hingegen ist doch deswegen weil es von den Göttern geliebt wird das Geliebte und Gottgefällige.
Euthyphron: Wie anders?
Sokrates: Also ist das Gottgefällige nicht das fromme, o Euthyphron, noch auch das fromme das Gottgefällige, wie du sagst, sondern verschieden ist dieses von jenem.
Euthyphron: Wie doch das, Sokrates?
Sokrates: Weil wir doch zugeben, das fromme werde deshalb geliebt, weil es fromm ist, nicht aber, weil es geliebt wird, sei es fromm. Nicht wahr?
Euthyphron: Ja.
Sokrates: Das Gottgefällige aber sei, weil es von den Göttern geliebt wird, eben dieses Geliebtwerdens wegen gottgefällig, nicht aber weil es gottgefällig ist, werde es geliebt.
Euthyphron: Das ist richtig.
Sokrates: Wenn also nun, lieber Euthyphron, das Gottgefällige und das fromme dasselbe wäre: so müßte ja, wenn das fromme um des Frommseins willen geliebt wird, auch das Gottgefällige wegen des Gottgefälligseins geliebt werden; wenn aber das (11) Gottgefällige wegen des von den Göttern Geliebtwerdens gottgefällig ist, alsdann auch das fromme wegen des Geliebtwerdens fromm sein. Nun aber siehst du, daß beides sich entgegengesetzt verhält, und also auch gänzlich von einander verschieden sein muß. Denn das eine ist, weil es geliebt wird ein solches zum geliebt werden, das andere aber weil es etwas ist zum geliebt werden, wird eben deshalb geliebt. Und es scheint beinahe, o Euthyphron, als wolltest du, gefragt was das fromme ist, das Wesen desselben nicht aufzeigen, sondern nur eine Eigenschaft angeben, die ihm zukommt, daß nämlich dem frommen das eignet, von allen Göttern geliebt zu werden, als was aber ihm dies eignet, das hast du noch nicht gesagt. Ist es dir also genehm, so verbirg es mir nicht, sondern erkläre noch einmal von vorn, was denn an sich seiend das fromme hernach von allen Göttern geliebt wird, oder was ihm sonst zukommt; denn hierüber wollen wir uns nicht streiten. Aber sage nur offen heraus, was denn das fromme ist und das ruchlose.
Euthyphron: Aber ich weiß nicht, wie ich dir sagen soll, was ich denke. Denn wovon wir auch ausgehn, das geht uns ja immer herum, und will nicht bleiben, wohin wir es gestellt haben.
Sokrates: Das wäre ja meines Ahnherrn des Daidalos Kunst, o Euthyphron, was du da beschreibst. Wenn also ich dies gesagt und gesetzt hätte: so würdest du mich wohl verspotten, daß auch СКАЧАТЬ