Название: Killerrache: Krimi Koffer 9 Romane
Автор: Alfred Bekker
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783956178306
isbn:
11
Der Kerl, der uns am nächsten Morgen das Frühstück servierte, war fast zwei Meter groß, dafür aber ziemlich schmal. Er sah aus wie eine Vogelscheuche und schien noch nicht lange in seinem Job zu arbeiten, denn er brauchte insgesamt fünf Wege, um uns das Frühstück vollständig an den Tisch zu bringen. Schließlich hatten wir dann aber doch alles. Der Kaffee war allerdings nur noch lauwarm, als wir unser Drei-Minuten-Ei bekamen.
"Schade", meinte Tina irgendwann, während des Frühstücks. "Wenn in Jugoslawien jetzt nicht gekämpft würde, könnten wir noch ein bisschen weiter südlich fahren und uns an der Adria ein paar Tage in die Sonne legen. Müsste eigentlich schon warm genug sein."
"Ja", meinte ich abwesend. "Scheiß Bürgerkrieg." Es gab auch Leute, die fuhren extra deswegen hin, um mal ein bisschen Krieg zu erleben. Ich gehörte nicht dazu. In dieser Hinsicht hatte ich meine Portion Abenteuer intus und war für die nächsten hundert Jahre gesättigt.
"Aber wir könnten noch nach Italien runter!", schlug sie dann vor.
"Wir sind doch gerade erst in Wien!"
"Venedig. Was hältst du davon? Ich rufe zu Hause bei meinem Chef und frage ihn, ob das in Ordnung geht."
Ich schüttelte den Kopf.
"Tut mir leid, aber das geht nicht."
"Warum nicht?"
"Hab zu tun!"
"Was denn?"
"Ich habe zu tun, das reicht doch wohl, oder? Ein andernmal können wir gerne nach Venedig fahren. Wirklich. Aber nicht jetzt."
Sie zuckte die Achseln.
"War ja nur ein Vorschlag."
"Ich weiß."
Ich versuchte zu lächeln, aber das Ergebnis war wohl nicht so besonders.
Sie sah mich an. Und zwar auf ganz besondere Weise, wie sie es nur sehr selten tat. "Ich weiß eigentlich sehr wenig über dich", meinte sie dann in einem ziemlich nachdenklichen Tonfall.
"Wirklich?"
"Ich meine, über deine Vergangenheit. Über das, was du gewesen bist, bevor wir uns kennengelernt haben."
"Ich bin immer derselbe gewesen."
"Du gibst darüber nicht gerne Auskunft, nicht wahr?"
"Wie kommst du darauf?"
"Weil du mir bei solchen Fragen bislang immer geschickt ausgewichen bist." Sie hob etwas die Schultern. Dann strich sie sich mit einer unnachahmlichen Bewegung eine Strähne aus der Stirn, die sich aus ihrer Frisur herausgemogelt hatte. "Ist doch wahr, oder?"
Ich zuckte die Achseln.
"So interessant ist mein Leben nun auch wieder nicht."
"Ich finde schon."
"So?"
"Ich liebe dich. Deshalb interessiert es mich."
Ich blickte auf, ihr direkt in die grüngrauen Augen. "Was zählt, ist die Gegenwart", sagte ich dann ohne besonders große Überzeugungskraft.
"Findest du?"
"Finde ich."
Sie ließ nicht locker. Heute nicht. Sie machte einen weiteren Anlauf.
"Du warst bei der Fremdenlegion."
"Richtig."
"Warum?"
"Aus Dummheit."
"Das kann doch nicht alles gewesen sein!"
"Enttäuscht?"
"Nein."
"Nein?"
"Ich glaube dir nämlich kein Wort."
Ich trank meinen lauwarmen Kaffee aus, ehe er ganz kalt war und köpfte dann mein Ei.
"Warst du auch im Golfkrieg dabei?", fragte Tina dann.
Ich lachte heiser.
"Nein."
"Warum nicht?"
"Die Alliierten haben zu lange mit dem Angriff gewartet. Meine Zeit war da schon um." Ich zuckte die Achseln.
"Eigentlich schade."
"Warum?"
Ich sah Tinas Stirnrunzeln.
"Die Siegesparade in New York hätte ich gerne mitgemacht."
"Manchmal denke ich wirklich, du spinnst."
Sie schwieg eine Weile und ich dachte schon, sie würde nicht mehr darauf zurückkommen. Aber da hatte ich mich verrechnet.
"Was war vorher?", fragte sie. "Bevor du in der Legion warst?"
"Nichts besonderes."
Ich hätte auch sagen können: Nichts, was dir gefallen würde. Aber ich wollte ihre Neugier dämpfen und nicht anheizen.
"Dann kannst du es, mir ja auch erzählen."
"Lassen wir alles, wie es ist", meinte ich. "Das halte ich für besser."
"Hast du irgendwie Dreck am Stecken? Hast du etwas ausgefressen, oder was?"
"Tina..."
"Du traust mir nicht."
Was gewisse Dinge anging, traute ich niemandem. Auch Tina nicht, das war richtig. Ich wollte mich einfach niemandem ausliefern. Auch nicht der Frau, die ich liebte.
"Okay", sagte sie schließlich, nach einen Augenblicken des Schweigens. "Das muss ich wohl akzeptieren."
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