Название: Killerrache: Krimi Koffer 9 Romane
Автор: Alfred Bekker
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783956178306
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Auf gut Glück sozusagen? Aber das konnte in die Hose gehen.
Schließlich kam Erikson doch noch. Sein Jackett wirkte ziemlich zerknittert - und zwar auf eine Art und Weise, die nicht klar erkennen ließ, ob es modische Absicht oder Nachlässigkeit war. Er ging in Richtung Hotelbar an mir vorbei, ohne mich überhaupt zu bemerken. Ich folgte ihm und sah ihn wenig später vor einem Drink sitzen. Er wirkte ziemlich nachdenklich. Was hätte ich dafür gegeben, jetzt zu wissen, was hinter seiner hohen, sonnengebräunten Stirn vor sich ging? Ich drückte mich irgendwo in die Ecke, um ihn besser beobachten zu können und dabei nicht allzusehr aufzufallen.
Vielleicht traf Erikson sich ja mit jemanden. Jedenfalls, wenn ich Glück hatte. Aber ich hatte keins.
Ein dickbäuchiger Rothaariger quatschte Erikson mehrmals an. Der Schwede reagierte erst nicht, ließ sich dann aber schließlich doch auf einen Small Talk ein.
Der Dicke erzählte eine Menge über sich. Er war Vertreter für Dessous-Mode, tingelte von Kaufhaus zu Kaufhaus und hatte sich jetzt ein Ferienhaus an der Ostsee gekauft. Und seine Tochter würde in drei Monaten Abitur machen und dann studieren. Beides sei ziemlich teuer, die Tochter und das Ferienhaus.
Der Schwede sagte nicht viel dazu. Das Wenige, was er über die Lippen brachte, war jedenfalls kein bisschen Akzentbeladen. Schließlich machte der Dicke den Vorschlag, dass sie beide zusammen noch ein wenig herumziehen könnten.
"Ich bin öfter hier", meinte er. "Ich kenne mich hier aus, glauben Sie mir. Auch was das Nachtleben angeht und so." Er grinste dreckig. "Ich weiß, wo was los ist."
Anfangs zögerte der Schwede. Dann leerte er seinen Drink und nickte. "Gut", meinte er. "Warum eigentlich nicht?" Erikson lächelte müde. "Ein bisschen Abwechselung könnte ich vertragen!"
"Nicht wahr?", meinte der Dicke. "So was braucht man einfach ab und zu!"
"Schon möglich."
Der Dicke strich sich über seine roten Haare, die ziemlich kurzgeschoren waren und sich wie die Stoppeln eines abgeernteten Kornfeldes in die Höhe reckten. "Ich muss nur vorher mal für kleine Jungs", meinte er.
Erikson nickte nur. Und der Dicke verschwand für ein paar Minuten. Ich verschwendete indessen ein paar Gedanken auf die Frage, ob dies wirklich eine zufällige Begegnung war oder ein geschickt inszenierter konspirativer Treff. In dem Milieu, in das meinen Fuß gesetzt hatte, musste man in dieser Hinsicht schließlich mit allem rechnen. Trotzdem entschied ich mich für die erste Möglichkeit.
"Nehmen wir meinen Wagen oder Ihren?", fragte der Dicke, als er zurückkam.
Der Schwede grinste.
"Wenn wir überhaupt einen nehmen, dann Ihren!"
"Wieso?"
"Ich habe keinen hier."
"Ach so."
Sie verließen die Bar und ich folgte ihnen so unauffällig wie möglich, um mich zu vergewissern, dass sie das Hotel auch wirklich verließen. Dann machte ich mich auf den Weg zu Zimmer Nummer vierunddreißig. Einer der Hotelangestellten war so freundlich, mir den Weg zu zeigen. Vermutlich hätte ich mich sonst auch erst einmal verlaufen. Der Kerl schöpfte überhaupt keinen Verdacht. Nicht den Geringsten. Wahrscheinlich war es bei ihm wie bei den meisten Leuten: Sie können einfach nicht glauben, dass ein Gauner sich rasiert und einen Schlips trägt. So stand ich schließlich vor Nummer vierunddreißig und musste nur noch ein paar Augenblicke abwarten, bis ich allein auf dem Flur war.
In der Tür steckte ein ganz gewöhnliches Schloss. Also keine Schwierigkeit für mich. Ich hatte extra ein Stück Draht für diesen Teil des Dramas mitgebracht. Ein paar Sekunden brauchte ich, dann hatte ich es geschafft. Ich trat ein und schloss die Tür hinter mir, während ich mit einem flüchtigen Blick die Lage sondierte. Es war ein ganz gewöhnliches Hotelzimmer. Nichts besonderes. Ein Einzelzimmer. Und es schien von einem Mann bewohnt zu sein, der penibel darauf achtete, dass alles an seinem Ort stand.
Auf dem Nachttisch befand sich ein kleiner elektronischer Wecker mit Leuchtanzeige. Daneben eine Zeitschrift. Ich sah mir den Wecker genau an. Made in Hongkong. Soweit man sehen konnte, schien es wirklich nur ein Wecker zu sein.
Die Nachttischschublade war leer.
Ich ging zum Kleiderschrank, öffnete ihn, sah ein paar Jacketts, eine Hose, ein Hemd und unten drunter einen Koffer. Ich schaute mir die Jacketts an. Sie hatten keinerlei Etiketten, waren aber von offensichtlich guter Stoffqualität. Schurwolle oder Kaschmir oder etwas anderes in der Preisklasse. Es sah ganz so aus, als legte Erikson keinen Wert darauf, dass irgend jemand die Herkunft dieser Kleidungsstücke zurückverfolgen konnte - wer auch immer das sein mochte. Ich durchsuchte die Jacketttaschen und die Taschen der Hosen. Es war nichts darin, außer einer Packung Tempo-Taschentücher. Danach nahm ich mir den Koffer vor und bemühte mich, dabei nicht die Unterwäsche in Unordnung zu bringen, die der Schwede so sorgfältig gefaltet hatte. Für sie galt dasselbe, wie für seine restlichen Sachen. Gute Qualität und keinerlei Etiketten. Ich ließ den Blick noch einmal sorgfältig durch das ganze Zimmer kreisen. Aber es schien, als sollte heute nicht mein Tag sein. Hier war nichts zu finden. Kein Krümel. Nicht einmal im Aschenbecher war etwas. Dann blieb mein Blick noch einmal bei der Zeitschrift auf dem Nachttisch hängen.
Ich ging hin, nahm das Blatt an mich und blätterte etwas darin herum. Ich weiß auch nicht genau, warum ich das eigentlich machte. Vielleicht Instinkt oder etwas in der Art. Jedenfalls war dieses bunte Blatt das einzige in diesem Raum, das sozusagen eine persönliche Note hatte.
Es war ein Magazin über Segelyachten.
Immerhin, dachte ich. Jetzt weiß ich, dass Erikson möglicherweise Segler ist. Oder es werden will und sich dafür interessiert. Viel war das auch nicht.
Und dann sah ich die Nummer, die mit einem Filzstift dahingekritzelt war. Vermutlich eine Telefonnummer. Und vermutlich eine Ausländische. Ich notierte sie mir auf die Hand, weil ich nur einen altersschwachen Kugelschreiber, aber kein Papier bei mir hatte. Dann machte ich, dass ich endlich aus dem Zimmer herauskam. Es gelang mir auch, ohne irgend jemanden auf mich aufmerksam zu machen.
Vielleicht sollte ich Hoteldieb werden!, dachte ich dabei.
War das nicht eine Alternative zu dem, worauf ich im Begriff war, mich einzulassen?
Aber als Mörder hatte ich einfach den besseren Tarif.