TodesGrant. Wilfried Oschischnig
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Название: TodesGrant

Автор: Wilfried Oschischnig

Издательство: Автор

Жанр: Триллеры

Серия:

isbn: 9783827184160

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СКАЧАТЬ Familie ist glücklich. Das ist die perfekte Story, kapierst du, richtig zum Abspritzen! Bei dieser Geschichte inserieren alle Bio-Firmen. Wir krallen uns sofort eine Familie mit zwei, drei fetten Kindern und machen das. Möglichst sozial benachteiligte Fettsäcke aus einem Gemeindebau, dann springen noch mehr Inserenten auf. Mitleid zahlt sich aus.“

      Und so war es, das Geschäft mit den Inseraten lief wie geschmiert. Via Facebook hatten Kneisler und Gradoneg eine Floridsdorfer Familie aufgetrieben, im hintersten Winkel eines heruntergekommenen Gemeindebaus. Absolut perfekte Probanden: Die Eltern arbeitslos, die Kinder brachten jede Menge Kilos auf die Waage, und alle ihre Urinröhrchen liefen vor chemisch-synthetischen Spritzmitteln über.

      „Dass diese Menschen bei den Werten überhaupt noch leben“, schüttelte der Laborant auf der ‚Universität für Bodenkultur Wien‘ entgeistert den Kopf. „Ich habe ihre Urinproben drei Mal analysiert. Die könnten mit ihrem Urin den Rasen im Praterstadion düngen. Wusste gar nicht, dass es noch so viel Glyphosat in Österreich gibt. Also, das kann nicht gut gehen, nein … Bin schon gespannt, welchen Krebs die eines Tages haben.“

      Dieser Laborant, ein gewisser Dr. Friedrich Randelsberger, war Gradonegs Geniestreich. Ein wissenschaftlicher Kapazunder, eine „Koryphäe“, von der berühmten Universität für Bodenkultur, der BOKU. Hundertmal hatte ihn Gradoneg telefonisch bekniet, zweimal zum Essen eingeladen und schließlich mit einer Kiste Bio-Wein und einem gut bestückten Kuvert für dieses wichtige Projekt an Bord geholt.

      Ein seriöser Wissenschaftler, eine namhafte Universität und Kunden, die sich um den besten Inseratenplatz rauften! Ja, was wollte der Mensch mehr, was wollte Gradoneg mehr?

      Selbst mit seinem Grant auf Währing schloss er in den letzten Monaten Frieden. Denn mit der Brieftasche schwoll ebenfalls sein Selbstbewusstsein an. Nicht alle Währinger waren so hochnäsig wie ihr Rathausturm, und nicht alle liefen als Biedermeier-Zombies durch die Straßen, kapierte Gradoneg allmählich. Man musste nur Geld haben – und Währing sah anders aus. Seine Ursula hatte recht: Währing war ein wunderschönes Kurstädtchen. Und könnte man Währing ausgraben und aufs Land verpflanzen, würden alle anderen österreichischen Städte vor Neid erblassen. Das Kärntner Velden würde sich beleidigt im Wörthersee ertränken und Kitzbühel würde sich wütend über die Hahnenkamm-Abfahrt in den Tod stürzen.

      Und dies alles sollte er nun gewaltsam verlieren?!

      Die Frau und die Kinder, den Beruf und die Ehre, das Zuhause und die Heimat?!

      Alles, alles sich nehmen lassen … so wie sie es jetzt gerade in der Justizanstalt Josefstadt mit seinen Habseligkeiten taten?

      Wie mit einem dreckigen Schwerverbrecher waren sie mit ihm dort vorgefahren und filzten ihn: Die Brieftasche mit der Bankomatkarte, dem Bargeld, der eCard und dem Identitätsausweis; das Handy mit dem zersprungenen Display, die Schlüssel und den Hosengürtel. Den Ehering zogen sie ihm ebenfalls vom Finger. Jede Tasche drehten sie ihm hundertmal um und leerten sie bis auf den letzten Stofffussel. Und mindestens so oft tasteten sie seinen Körper ab. Die Arme, die Achseln, den Brustkorb, die Hüften, die Oberschenkel und die Waden …. bis sie endlich begriffen, dass er längst nackt war, und ihn abführten.

      Drei

      Architektonisch und rein äußerlich betrachtet, ist die „Justizanstalt Josefstadt“ in der Wickenburggasse nicht hässlicher als so manch andere Wiener Gemeindebauten oder Amtsgebäude. Sogar mit dem verpfuschten Haas-Haus auf dem Stephansplatz hält sie optisch mit, die viel gerühmten Hundertwasser-Bauten sind auch nur bunter.

      Ja, diese Justizanstalt ist ein stinknormaler, fantasieloser Betonklotz, der sich unauffällig in das Stadtbild fügt. Die Einfahrt mit dem Rollbalken könnte zu einem Krankenhaus gehören, der Besuchereingang zu einem Ministerium. Niemand steht hier mit Maschinengewehren davor, und von den Fenstern auf der Gassenseite sind nur wenige vergittert. Der Baum und die Hecken am Vorplatz erwachen im Frühling mit grünen Trieben, werfen im Sommer gewöhnliche Schatten und bereiten sich im Herbst mit einem farbenfrohen Blätterwirbel auf den Winterschlaf vor.

      Stinknormal, alles schrecklich stinknormal.

      Nur wer mit seinem Blick von der anderen Gehsteigseite das Gebäude hochschweift, entdeckt rechts über sich ein grünes Stacheldrahtgitter. Und wäre er ein Vogel, könnte er dort oben über den Gefängnishof fliegen. Und dann würde er Matthias Frerk Gradoneg erspähen, wie dieser gerade im Gefängnishof steht und von drei Justizwachebeamten umzingelt ist; wie ihm gerade vor den vielen fremden Gesichtern hinter den vergitterten Fenstern angst und bange ist. Der Boden unter ihm wankt, und wie sein verzweifelter Blick zum Himmel flüchtet. Und nun erschrickt er: So klein ist der Himmel plötzlich geworden, nur noch eine graue Plastikplane schwebt da über ihm.

      Zwei Justizwachebeamte standen direkt neben Gradoneg, ein dritter marschierte etwas entfernt mit einem surrenden Funkgerät den Hof ab. Redete und lauschte und nahm dann das Funkgerät vom Ohr: „Dauert noch ein paar Minuten“, informierte er seine beiden Kollegen, die Gradoneg bewachten. „Wissen wieder einmal nicht, wo sie noch ein Bett unterbringen können. Lauter obergescheite Studierte – und haben keine Ahnung. Eventuell geben sie ihn zu den Pädophilen in den Sicherheitstrakt. Oder wir packen ihn wieder ein und liefern ihn gleich zu den geistig Abnormen auf den Mittersteig. Das entscheiden sie gerade mit dem Richter.“

      Einer von Gradonegs Bewachern rief genervt zurück: „Die sollen sich gefälligst beeilen! Wär eh besser, wenn sie ihn auf den Mittersteig liefern. Rein in den Transporter und ab damit. Mir reicht schon das Theater mit dem Amokläufer. Wenn jetzt noch ein Kannibale einsitzt, stolpern wir draußen auf der Wickenburggasse nur noch über Journalisten und Fernsehkameras.“

      So unverblümt unterhielten sie sich in Gradonegs Gegenwart. Als wäre er bloß ein seelenloser Wasser­hydrant, der zufällig neben ihnen stand. Seltsamerweise störte das Gradoneg nicht. Er war einfach zu erschöpft, um wieder seine Unschuld zu beteuern.

      „Fällt dir was auf?“, fragte einer der Justizwachebeamten neben Gradoneg seinen Kollegen, deutete dabei mit einem Zeigefinger auf die Gesichter hinter den vergitterten Fenstern. „Wie ruhig sie plötzlich heute alle sind. Ist wie bei der Sonnenfinsternis damals … Die spüren, dass hier was nicht stimmt. Sogar die Schwarzen schmeißen ihr Essen nicht aus den Fenstern.“

      „Jetzt sagst du auch schon ‚Schwarze‘“, meinte der andere Kollege beleidigt. „Dabei warst du immer einer von den Vernünftigen hier.“

      „Steht so in der neuen Dienstanweisung, hast du die nicht gelesen? Ist Vorschrift, im ganzen Gebäude. Sogar in der Angestelltenkantine. Bei diesem Thema sind sie extrem sensibel.“

      „Die können mir mit ihren ständigen Dienstanweisungen den Buckel runterrutschen. Ich lass mir doch nicht den Mund verbieten. Für mich bleibt ein Neger ein Neger und damit hat sich’s. So wie bei den Zigeu­nern und den Tschuschen …“

      „Stimmt eh... Ich will halt in der Arbeit meinen Frieden, das ist alles. Und außerdem hab ich dir von der Sonnenfinsternis erzählt … Ich wollte ja nur sagen, dass damals bei der Sonnenfinsternis auch alle so ruhig waren.“

      „Da muss ich auf Urlaub gewesen sein, wann war das?“

      „So um die Jahrtausendwende, im Sommer … Das weiß ich noch, weil ich mit jemandem gewettet hab, ob man dazu ‚komplette Sonnenfinsternis‘ oder ‚totale Sonnenfinsternis‘ sagt. Alle sind an den Fenstern gestanden und haben ihre Pappn gehalten. Eigentlich traurig: Ich bin seit dreißig Jahren da und hab nur zwei ruhige Tage in der Arbeit erlebt. Eine Sonnenfinsternis und einen Kannibalen.“

      Währenddessen lief ihr dritter Kollege mit dem Funkgerät weiter СКАЧАТЬ