Fritz und Alfred Rotter. Peter Kamber
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Название: Fritz und Alfred Rotter

Автор: Peter Kamber

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783894878313

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СКАЧАТЬ am 25. Dezember 1894 geboren13 und hat vermutlich selbst einmal auf Theaterbühnen gestanden – von ihrem verschollenen Tagebuch sind nur zwei Eintragungen überliefert. Trude, wie alle sie nennen, ist nicht nur öfter bei den Proben dabei, sondern auch in die Finanzverwaltung eingebunden – täglich rechnet sie mit den Kassiererinnen an den Theatern ab. Sie habe sich „zuerst in Fritz verliebt“, dann aber Alfred geheiratet,14 noch im Krieg, am 10. Juli 1917.

      Die siebenunddreißigjährige Trude also fängt vielleicht einen verzweifelten Blick ihrer Zofe Klara Walter auf, weil auch ihre Worte den Gerichtsvollzieher nicht umstimmen können. Die andere Hausbedienstete, Marta Juraschewski, wird sich im Hintergrund halten, genauso wie Fritz Rotters Friseur und Diener August Wittmoser, genannt Archibald, der von sich sagt, er sei „als Faktotum“ für alles Mögliche angestellt. Archibalds besonderes Merkmal, nämlich dass er nicht größer als ein Meter vierzig und „bucklig“ ist, kümmert hier niemanden. Die bei der Tageskasse anfallenden Münzbeträge und kleinen Scheine bringt er jeweils zur Bank und kehrt mit großen Scheinen zurück.

      Nicht gefehlt haben dürfte auch der Oberbuchhalter der Rotterbühnen, Conrad Wolff, der mehr weiß, als er sagen kann oder darf. Seine Räume hat er im obersten Stockwerk der Villa, sämtliche Geschäftsbücher der einzelnen Gesellschaften werden dort geführt und aufbewahrt. Es ist nicht seine Schuld, dass sich die Bücher in einem „haarsträubenden Zustand“15 befinden.

      Sie schreiten ins sogenannte Herrenzimmer. Neun Ölbilder. Gleiche Geschichte. Eine Bibliothek, Eiche geschnitzt: 200 Reichsmark. Als Nächstes das Musikzimmer: Der Flügel von der Firma Grotrian-Steinweg ist zum Glück nur gemietet, seit Dezember 1929. Der Buchhalter wird den Vertrag zur Hand haben, 35 Reichsmark monatlich. Fünf Bilder. Alles wird taxiert und mit den blaugefärbten Reichsadlern als Pfandsache markiert. Zum Schluss geht es in den Salon: acht Bilder für 1340 Reichsmark. – Es ist einfach nur zum Weinen.

      Alfred Rotter verweigert die Unterschrift. Schablin, der Gerichtsvollzieher, wird dessen Bruder Fritz Rotter gar nicht erst auffordern und erklärt den Vorgang trotzdem für „geschlossen“: 31 290 Reichsmark, in Gänze. Bis zur Versteigerung bleibe genügend Zeit.

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       Fritz Rotter

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       Alfred Rotter

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       Gertrud Rotter

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      Von den beiden Brüdern bespielt werden im Frühjahr 1932 folgende Bühnen: Metropol-Theater, Theater des Westens, Lessing-Theater, Admiralspalast, Lustspielhaus, Zentraltheater Berlin, Zentraltheater Dresden, Albertheater Dresden, Mellini-Theater Hannover.16 1931 haben sie in Breslau für kurze Zeit auch das Stadttheater gemietet.

      Doch man muss ein Theater wie etwa das Metropol nicht besitzen, um darin zu spielen. Mitten in der Wirtschaftskrise ist es nicht schwer, Pachtverträge zu bekommen. Und nach den großen Theaterpleiten 1930 und 1931 geht kaum noch jemand dieses Risiko ein – viele Bühnen stehen leer.

      Mit Grundstück und Gebäude gehören ihnen das Lessing-Theater auf dem Boden des heutigen Ministeriums für Bildung und Forschung am Kapelle-Ufer in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs, zweitens das öfter mal leerstehende Lustspielhaus am unteren Ende der Friedrichstraße sowie drittens das Zentraltheater an der Alten Jakobstraße in Berlin, beide in Kreuzberg. Jede einzelne Liegenschaft ist mit Hypotheken schwer belastet.

      Für Dramen und Komödien nehmen die Rotters noch das Deutsche Künstlertheater und das Theater in der Stresemannstraße (heutiges Hebbel am Ufer) hinzu.

      Seit 1931 bespielen sie von Fall zu Fall auch das Theater im Admiralspalast schräg gegenüber des Bahnhofs Friedrichstraße und teilen sich mit dem Verpächter die Kasseneinnahmen – das Risiko tragen die Brüder Rotter selbst.

      In Dauerpacht halten sie hingegen seit Frühjahr 1931 die Plaza, das Varieté-Theater in der alten umgebauten Halle des verlegten Ostbahnhofs in Friedrichshain mit 3000 Plätzen, wo im vierzehntägigen Wechsel „Billigversionen jener im Westen der Stadt erfolgreich inszenierten Rotter-Operetten“ gezeigt werden.17

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      Eine Anekdote über die Rotters in der Plaza erzählt der Direktor des Theaters am Schiffbauerdamm, Ernst Josef Aufricht, in seinen Erinnerungen18: Als er selbst nach dem großen künstlerischen Erfolg des Revolutionsstücks von Ernst Toller über den Matrosenaufstand in Kiel 1918, Feuer aus den Kesseln (31.8.1930), zu seiner Enttäuschung am Schiffbauerdamm auf den Eintrittskarten sitzenbleibt, genauso wie schon mit Bertolt Brechts Happy End (2.9.1929) – bezahlt gemacht hat sich nur die Dreigroschenoper (31.8.1928) –, verschickt er „tausende von Freikarten an Gewerkschaften und Arbeiterorganisationen, um das Theater wenigstens einen Monat zu füllen“. Aber die Leute sind nicht in das Toller-Stück zu bringen. Aufricht:

      „Die Freikarten wurden nicht angenommen. ‚Wollen Sie wissen, was die Arbeiter und die Arbeitslosen sich ansehen?‘, fragte mich jemand. ‚Gehen Sie in die Plaza!‘ Eine als Theater umgebaute ehemalige Bahnhofshalle war am Nachmittag ausverkauft. Man spielte drei Vorstellungen am Tag. Ein billiger Platz kostete 30 Pfennig. Die Brüder Rotter brachten ihre abgespielten Operetten in die Plaza und hatten im Vertrag mit der Direktion des Hauses, nur drittrangige Kräfte zu engagieren, um das Publikum nicht zu verwöhnen und anspruchslos zu halten. Als der Graf von Luxemburg [Operette von Franz Lehár] sich seine Zigarette mit einem Hundertmarkschein anzündete, vergaßen die Zuschauer ihre graue Misere und applaudierten begeistert.“

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      Hubert Marischka und Adele Sandrock in Der Graf von Luxemburg, 1928

      Im Mai 1932 schon haben die Rotters kurz geglaubt, alle ihre Theater schließen zu müssen. Die nationalsozialistische Zeitung Der Angriff höhnt: „[…] aber es wird sicher allgemein interessieren, dass die Theaterdirektoren Rotter (mit jüdischem Namen Scheye) am 2. Mai den Offenbarungseid geleistet haben.“19 Das ist in mehrerer Hinsicht falsch: Erstens heißen sie richtig Schaie mit ai (der Name leitet sich vom hebräischen Namen des Propheten Jesaja ab), zweitens haben sie, wie es der Theaterkritiker der Vossischen Zeitung Monty Jacobs richtigstellt, „das Recht, auf dem Theater einen falschen Namen anzulegen“20, und drittens: Es geht weiter! Der Dresdner Bank allein schulden die Rotters zwar über eine Million, sie bieten aber auch Sicherheiten, und die Bank hält still. Andere Gläubiger stimmen einer Umschuldung und Teilzahlungen aus der täglichen Theaterkasse zu.

      Den Gerichtsvollzieher im Nacken, beginnen sie Ende August und Anfang September 1932 die neue СКАЧАТЬ