Название: Der Mime
Автор: Wilhelm Walloth
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
isbn:
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Als Domitian nun gespannt auf die Schritte der Nahenden lauschte, bemächtigte sich seiner eine eigenthümliche Verlegenheit, eine Verwirrung, unter der sein Hochmuth, sein angeborener Stolz unsäglich litt. Er frug sich erstaunt, was er denn eigentlich von dem Tänzer wollte, auf welche Art er es anfangen sollte, ihn auszufragen? Wie weit er mit seinen Fragen gehen sollte? Was ihn denn, da nichts Unerlaubtes vorliege, berechtigte, den Mann auszufragen? Und was würde Paris von dieser nächtlichen Vorladung denken? War es nicht Thorheit ihn rufen zu lassen? Doch nun war es geschehen. Gedemüthigt von einem Tänzer! Dem Kaiser schoß, so daß es ihn fast mit momentaner Blindheit schlug, das Blut in die Augen, als er die Schritte der Nahenden auf dem Mosaik des anstoßenden Gemaches schlürfen hörte, und als jetzt der Thürvorhang, von einer Soldatenfaust gehoben, die schlanke Gestalt des Tänzers enthüllte, kam es dem Kaiser vor, als sei er selbst, er, der dickbauchige Kahlköpfige, der Gerichtete diesem geschmeidigen Adonis gegenüber. Fiel doch auch ein Strahl von Domitiaʼs Gunst auf das Haupt des Mimen und diesen Strahl konnte der finstre Mann nicht anders als respektiren, dieser Strahl lieh selbst dem Verhaßten noch eine gewisse unantastbare Weihe. Paris, obgleich ihm das Herz unruhig schlug, beherrschte das nervöse Prickeln, das ihm durch die Glieder rann, er sah sich, eine elegant malerische Stellung annehmend, in dem Gemache um und stützte sich dann, als noch immer Schweigen herrschte, auf die Lehne eines Stuhls, mit ein paar Worten andeutend, er sei des Befehls seines Gebieters gewärtig. Seine Worte klangen vornehm kühl, weder ängstlich noch herausfordernd. Hätten sie aber die Absicht gehabt den Kaiser zu verwirren, sie hätten nicht besser gewählt sein können. Diesem Herrscherantlitz, das gewohnt war mit Ruhe die gewaltthätigsten Machtbefehle zu ertheilen, stand die Röthe der Verlegenheit, gegen die es erbittert ankämpfte, wunderlich genug. Paris, als er zu fühlen begann, wie er den Gefürchteten, in dessen Händen die Welt ruhte, durch sein Erscheinen in Verwirrung setzte, nahm, da ihn seine Feinfühligkeit hierzu zwang, unwillkürlich eine demüthige Stellung an, beugte das Haupt und erröthete sogar.
Domitian bemerkend, daß sein Nebenbuhler eine Art Mitleid mit ihm hegte, riß sich endlich gewaltsam aus diesem unwürdigen Zustand. Um nur so rasch als möglich dem Tänzer die untergeordnete Stellung anzudeuten und einstweilen Zeit zum Nachdenken zu gewinnen, fiel er auf einen wunderlichen Ausweg. Er schritt auf sein Lager zu und sagte mit verächtlichem Lächeln:
»Ich konnte nicht schlafen, – tanze!«
Paris hob den Kopf.
»Wie, hoher Herr?« frug er.
»Unterhalte mich, vertreibe mir die Pein der schlaflosen Nacht, – tanze!« sagte Domitian rauh, indeß der Zwerg, der der ganzen Scene grinsend gefolgt war, mit den Fingern in die Luft schnalzte, wofür ihn jedoch der Kaiser mittelst eines tadelnden Blicks strafte.
Paris, der seinen Ohren nicht traute und den die herablassende Art, in der man ihn hier als ein Spielzeug behandelte mit aufsteigendem Trotz erfüllte, sagte verwundert, mehr zu sich selbst: »Tanzen? in dieser Stunde?«
Hierauf entstand eine Pause, während welcher der Kaiser geistesabwesend vor sich nieder sah, um dann wie erwachend den lauernden Blick auf seinen Nebenbuhler zu richten.
»Nun ja,« warf der Herrscher frostig hin, »ich habe schon oft deinen Tanz rühmen hören, habe aber noch nie Gelegenheit gehabt, ihn in der Nähe zu bewundern. Ich bin, wie du weißt, kurzsichtig, genieße deshalb Schauspiele nur sehr oberflächlich. Vielleicht werden wir gute Freunde, wenn ich Gefallen an dir finden sollte. Tanze also! ich überlasse dir die Wahl, jeder Tanz ist mir recht.«
Paris, der sich plötzlich zum Sklaven herabgewürdigt fühlte und sich seiner verachteten Stellung als Mime immer schmählicher und schmerzlicher bewußt wurde, hob stolz das erröthende Haupt, die Lippen ein wenig nach einwärts krümmend.
»Du scherzest, Gebieter,« sagte er mit leiser, gepreßt schmerzlicher Stimme, »du willst meiner spotten!«
Domitian hatte sich auf die Kissen seines Lagers hingestreckt.
»Scherzen?« entgegnete er fein lächelnd, sich an der Beschämung seines Opfers weidend, »nun und wenn selbst ich scherzte, was kümmerte es dich? Aber ich scherze nicht! Ich möchte nämlich an deinen Bewegungen die Kunst studiren, durch die du allen Weibern so unsägliche Bewunderung abnöthigst. Man sagt, du bist der gemeinschaftliche Ehegatte aller Ehegattinnen Roms. Gut mein Freund, gieb mir eine Probe deiner Kunst, zu gefallen, tanze eine Weiberrolle!«
Dies letzte Wort, mit ausgesuchter Geringschätzung betont, traf den Mimen wie der Tatzenschlag eines Tigers.
Parisʼ Mund öffnete sich krampfhaft, ein bitterer Zug verbreitete sich um seine erblassenden Lippen, und indem er die Stuhllehne umkrallte, stand er einige Zeit wie vernichtet.
Wenn er auch vor dem Volke zu tanzen gewohnt war, und ihm der Beifall schmeichelte, fühlte seine feine Natur sich doch nach jeder seiner Productionen wie gedemüthigt. Es kam vor, daß wenn ihm der Beifall am lautesten im Theater umwogt, er ganz niedergeschlagen zu Hause ankam, an nichts Gefallen fand und Thränen der Reue, der Scham ihm in den Augen standen, die selbst seine besten Freunde nicht zu verscheuchen vermochten. Der Hohn, der in des Kaisers Benehmen lag, gab ihm übrigens bald seine Selbstbeherrschung zurück.
Die Lippen energisch zusammenpressend, stieß er ein ersticktes: »Ich tanze nicht« hervor, das den Kaiser aus seinen Polstern in die Höhe fahren ließ. Der Kaiser sah den bebenden todblassen Jüngling, der sich gramvoll auf die Lippen biß, lange schweigend an.
»Widerstand?« murmelte er fragend, und sich völlig empor setzend, sah er mit einem zwar düstern, aber eigentlich nicht erzürnten, sondern eher träumerischen Ausdruck vor sich hin.
Paris, der sich auf das Schlimmste gefaßt machte, blieb regungslos, seitwärts zu Boden blickend, stehen, mit einem Gefühl in der Brust, als läge er in der Arena unter der Branke des Löwen. Sein Trotz wich jedoch bei aller Angst, die in СКАЧАТЬ