Fabeleien. Rosa Mayreder
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Название: Fabeleien

Автор: Rosa Mayreder

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ sich aufgebläht hatte und sich als dunstiger Körper vom Boden abhob. Er stützte sich halbliegend auf seinen linken Ellbogen; seine rechte Hand, die einem bläulichen Rauchwölkchen gleich sah, streckte er gegen mich aus, wie jemand, der will, daß man ihm beim Aufstehen behilflich sei.

      Schleunig trat ich einen Schritt zurück, um diesen unverschämten Rebellen vermittelst der optischen Gesetze in die gebührenden Schranken zu weisen. Aber es war zu spät. Er hatte sich schon emanzipiert und allen Respekt vor den altbewährten Naturgesetzen verloren. Schwerfällig unbeweglich blieb er auf der Stelle liegen, losgetrennt von der Gestalt, mit der er fünfundzwanzig Jahre unauflöslich verbunden gewesen war.

      Ich dachte, daß ihm vielleicht durch gütliches Zureden noch beizukommen wäre.

      »Was fällt dir ein?« sagte ich vorwurfsvoll. »Das geht doch nicht, daß du dich auf einmal benehmen willst, als wärest du dein eigener Herr. Sei gescheit; lege dich wieder hin, wie sichʼs gehört, und laß mich weiter gehen. Habe ich nicht Kummer genug? Willst auch du mir abtrünnig werden und mich allein lassen?«

      Er kehrte sich nicht an meine Worte. Mit blindem Eifer, pustend und stöhnend, suchte er sich auf die Beine zu stellen. Dabei schlotterte er am ganzen Leibe vor Anstrengung; krampfhaft klammerte er sich an die Mauer, um sich im Gleichgewicht zu erhalten.

      Recht kläglich sah er aus, in die Länge gezogen, schwarzblau vom Kopf bis zu den Füßen, und ganz unausgearbeitet in den Details, nur gerade der notdürftige Umriß eines weiblichen Wesens. Er hatte sich einige Körperlichkeit gegeben, indem er sich zu einem wolkigen Dunst aufblies; aber durch seinen transparenten Leib schien die fleckige Mauer hindurch; und was er an Rundung gewonnen hatte, war ihm an Dichte verloren gegangen.

      Ich versuchte es noch einmal mit der Güte. »Du warst ja bis jetzt ein braver, folgsamer Schatten! Oder hättest du auf einmal den Ehrgeiz, aus einem Schatten ein Geist zu werden? Da wärst du was rechtes! Kein Mensch hat mehr Achtung vor Geistern; selbst der »höchste Geist« ist in Mißkredit gekommen. Und überlege doch: hast du als ein solider, wohlversorgter Schatten, für den ich in allen Lebenslagen mit meiner Person einstehe, nicht eine angenehmere Existenz, als wenn du zum Geist würdest und etwa jedem schäbigen Medium Rede stehen müßtest –? So lange du mein Schatten bist, hat dir niemand außer mir was zu befehlen; aber als vazierender Geist hättest du keine andere Aussicht für deine fernere Laufbahn, als dich bei den Spiritisten mit Alphabetklopfen abzurackern und am Ende gar als unorthographischer Geist zum Gespötte der Ungläubigen zu werden.«

      Dennoch machte er keine Miene, seinen erbgesessenen Platz wieder einzunehmen.

      Nun riß mir die Geduld. Drüben auf der anderen Seite der Straße lag der Häuserschatten als ein breites, dunkles Band; ich brauchte nur hinüberzugehen, und dann mußte es sich zeigen, wie weit mein rebellischer Schalten mit seiner Selbständigkeit reichte.

      Kaum hatte ich den ersten Schritt hinüber gemacht, so hing er auch schon hilflos an meinen Rockfalten.

      »Halt, halt!« rief er mit seiner schwachen, unangenehmen Stimme, die klang, als wenn eine Kleiderbürste auf einem Papier gerieben würde. »Bringe mich doch nicht um, kaum daß ich das Licht der Welt erblickt habe.«

      Da mußte ich lachen.

      »O du Renommist! Das Licht der Welt? Hast du schon vergessen, daß zwischen dir und dem Lichte der Welt ich stehe? Und nun willst du dieses Ich, das dich gezeugt hat, in Pension setzen wie einen ausgedienten Feldwebel, um ferner ohne seine Vermittelung in Beziehung zu dem Lichte der Welt zu treten!«

      Er räusperte sich langwierig; das Reden schien ihm beschwerlich zu sein. Dann sagte er mit etwas besserer Stimme in einem Tone zwischen kriechender Schattendemut und heimlichem Geisterhochmut:

      »Da ich also dein Werk bin, warum redest du Dinge, die nicht hergehören? Warum verhöhnst du mich nun dessentwegen, was du selbst mit aller Gewalt herbeigeführt hast? Bin ich nicht der Triumph deiner Technik? Hast du nicht dein Ich unbarmherzig geschunden, um mich mit seiner lebendigen Haut auszustatten? Hast du mir nicht deinen Atem eingehaucht, bis ich aufgeblasen worden bin? Hast du mich nicht gefüttert mit deinem Fleisch und Blut? Hast du mir nicht eben früher dein eigenes Herz zum Fräße hingeworfen? Ich habʼ es, ich habʼ es, dein Herz, ich habʼ es und gebʼ es nicht mehr her!«

      Er machte einen sonderbaren Luftsprung; dabei spaltete er sein dünnes Schattenkleid und verwandelte sich auf diese Weise in einen männlichen Schatten. Mit jedem Augenblick schien er kräftiger, selbständiger zu werden; in seinem Innern glaubte ich auf einmal einen undurchsichtigen festen Kern zu bemerken. Sollte das wirklich mein Herz sein? Mich überliefʼs; ich begann mich zu fürchten. Das ist etwas, was ich ungern eingestehe, nicht einmal mir selbst: ich tat, was man gewöhnlich tut, um eine beschämende Tatsache zu bemänteln, ich begann zu schimpfen.

      »Lügner, frecher, unanständiger Lügner! Ich hätte dir mein Herz, mein gutes, volles, lebendiges Herz zugeworfen, ich dir? Aber wenn du schon mein Herz zu haben vorgibst, Elender, so zeig es her, beweise deine Behauptung. Ja, beweise, beweise, wenn du kannst!«

      Da stellte er sich mit gespreizten Beinen vor mich hin. Und mitten in seiner blauschwarzen Brust, wie ein Stern durch eine Rauchwolke, schimmerte es rötlichgelb. Eilig suchte ich – denn ich bin sehr kurzsichtig – meine Lorgnette aus der Tasche. Kein Zweifel! Es war mein Herz, das er da in der .Brust trug! Es sah aus wie ein Lebkuchenherz, schön verziert mit blauen und roten Adern, und auch der Zettel ,mit dem Sinnspruch fehlte nicht. Deutlich stand darauf zu lesen:

      Glaube, Hoffnung, Liebe sind die drei;

      Eins wenn fehlet, breche ich entzwei.

      »Gib es mir augenblicklich zurück!« sagte ich, meine Hand danach ausstreckend. »Mit einem so sentimentalen Herzen darf man keine Experimente machen, das sehe ich jetzt. Ich will es künftig in Ehren halten. Also gib her, und mit Vorsicht, hörst du?«

      Er hielt sich beide Hände vor die Brust und wich zurück. Meine Angst stieg aufs Höchste.

      »Räuber, Dieb, Schurke, gib mir mein Herz zurück«, schrie ich und stürzte mich auf ihn, um es ihm mit Gewalt zu entreißen.

      Aber ich stürzte ins Leere. Da lag ich, schmählich zu Boden gestreckt durch mein eigenes Gewicht. Als ich mich wieder aufrichtete, sah ich, daß mein Schatten die Flucht ergriffen hatte. Er war schon weit weg; schnell und geräuschlos glitt er an den weißen Häuserwänden entlang. Dann bog er um die Ecke.

      Was blieb mir übrig, als ihm nachzulaufen? Doch als ich an die Ecke kam, war von meinem Schatten straßauf straßab keine Spur mehr zu entdecken.

      Und o Schrecken! In meiner Brust rührte sich nichts. Dort, wo sonst jenes närrische, einfältige, wunderliche Ding hüpfte, das Herz, war alles still und tot; ich fühlte nur eine dumpfe Leere, eine unbehagliche Kühle an der Stelle, die es einzunehmen pflegte.

      Aus der Ferne kam der Rayonposten schläfrig durch den Schnee gestapft. In meiner Ratlosigkeit ging ich ihm nach und fragte ihn, ob er nicht jemanden vorüber laufen gesehen habe.

      Nein, er hatte niemanden gesehen. Wer denn vorübergelaufen sein sollte?

      Jemand, der mir mein Herz gestohlen hatte.

      Der Rayonposten ermunterte sich ein wenig.

      Gestohlen? Jetzt eben? Auf offener Straße?

      Ja, eben jetzt auf offener Straße.

      Also ein Raubattentat? Das Herz samt der Uhr? Vielleicht auch die Geldbörse?

      Nein, bloß das Herz.

      Ein СКАЧАТЬ