Hotel Amerika. Maria Leitner
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Название: Hotel Amerika

Автор: Maria Leitner

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ kommst. Du bist viel zu verschwenderisch, du brauchst viel zu viel Seife. Ihr jammert immer, dass ihr arm seid, aber wie man sparen muss, das lernt ihr auch auf eure alten Tage nicht.«

      Celestina schweigt. Oberster Grundsatz des Hotels Amerika ist: die Gäste haben immer recht.

      Die Alte schimpft weiter. Da ihre Gesellschafterinnen immer wieder ausrücken, benutzt sie die halbe Stunde des Zimmeraufräumens, um ihren Herrschergelüsten freien Lauf zu lassen. Sonst kommandiert sie ihre Tiere, aber an ihnen kann sie nie ein Zeichen von Unwillen wahrnehmen. Jetzt, da sie in Celestinas Gesicht eine leise Röte aufsteigen sieht, ist sie zufrieden.

      »Nun, du brauchst dich nicht gleich zu ärgern, wenn man dich belehren will.«

      Dann beginnt sie fieberhaft in einem Schreibtischfach zu suchen und drückt endlich mit großartiger Gebärde ein Zehncentstück in Celestinas Hand.

      Diese Zehncentstücke, die sie in seltenen Fällen zu verteilen pflegte, hatten ihr von dem Personal den Spitznamen ›der weibliche Rockefeller‹ eingebracht.

      »Hat sie dir wieder ein ›dime‹ gegeben? Sie ist doch so reich. Fräulein Wesley erzählt, dass auf ihrer Plantage viele hundert Neger arbeiten. Vor ein paar Tagen gab es sogar einen kleinen Auf stand. Fräulein Wesley hat gerade die Nachricht aufgenommen, als ich abends Inspektion hatte.«

      »Was meinst du, wie viel Geld die Alte zahlen muss, um sich hier solche Verrücktheiten zu erlauben? Es wohnen hier auch andere, die nicht richtig im Kopf sind, aber sie müssen sich mit ihrem Steckenpferd doch anpassen, kein anderer dürfte das Parkett so zuschanden machen.«

      »Ach, ich habe vergessen, meinen ›Brief‹ nachzusehen.« Frau Magpag hat die wenig beliebte Gewohnheit, allen Stubenmädchen der Etage die kleinen Verfehlungen, den Mangel an Vollkommenheit, den sie beim Reinigen der Zimmer zeigen, auf einer langen Liste aufzuschreiben. Wenn die Haushälterin ein Zimmer inspiziert, entgeht nichts ihren Späheraugen.

      Ingrid buchstabiert mit Schwierigkeit den Zettel, das Englischlesen fällt ihr noch schwer.

      »Du meine Güte, was habe ich alles verbrochen! Allein in Nummer 17: Die Nickelknöpfe des Wandspiegels glänzen nicht, im Spucknapf ist nicht genug Wasser, es fehlen Ersatzstecknadeln, das kleine Löschpapier ist zu stark gebraucht, auf dem Schrank liegt Staub, die kleine Tischdecke muss gewechselt werden, – das geht ja noch weiß Gott wie lange weiter! Frau Magpag gibt mir für eine Stunde Lesestoff.«

      »Ja, die Haushälterinnen müssen zeigen, wie notwendig sie sind.«

      »Sie schreibt an alle ihre Briefchen; ich glaube, sie schläft nachts nicht. Sicher denkt sie an nichts weiter, als an die Zimmer, und ob nicht achtzehn Stecknadeln in einem Zimmer sind statt zwanzig und nur fünf reine Handtücher statt sechs.«

      »Sie ist eben die Haushälterin und muss daran denken.«

      »Aber sie verdient auch nur fünfzehn Dollar die Woche und muss noch länger arbeiten als wir.«

      »Sie bekommt aber besseres Essen und isst am gedeckten Tisch.«

      »Ja, sie steht über uns; sie ist Vorgesetzte … Ob das ein angenehmes Gefühl ist?«

      »Das wirst du wahrscheinlich nie erfahren, ein Stubenmädchen wird selten Haushälterin.«

      »Will ich ja gar nicht werden, ich denke nur nach, wie es sein mag, etwas anderes zu sein, als man ist.«

      »Aus mir kann nie etwas anderes werden, als was ich bin: eine Scheuerfrau.«

      »Das Dumme ist, ich weiß, es nützt mir nichts, und doch muss ich oft an die Arbeit denken, auch wenn ich schon frei bin. Sogar im Traum hatte ich heute Angst, ich hätte nicht genügend Streichhölzer in ein Zimmer getan.« Unter solchen Gesprächen sind sie jetzt in einem Zimmer angelangt, das sowohl die fromme Gesinnung wie die Mondänität der Zimmerbewohnerin verrät. Ein Gebetbuch liegt mit dem Theaterprogramm zusammen, die Puderdose mit einem goldenen Kreuz, ein Rosenkranz neben dem Lippenstift.

      »Sie ist wenigstens reinlich«, sagt Celestina, »die Badewanne ist sauber.«

      »Aber Celestina, vielleicht hat sie gar nicht gebadet?«

      »Das ist mir ganz gleich, die Hauptsache ist, dass die Wanne ganz rein ist.«

      »Und für mich ist es die Hauptsache, dass sie den Puder nicht ins ganze Zimmer verstreut.«

      »Ob die wohl reich ist?«

      »Wenn sie eine wirklich Reiche wäre, würde sie nicht dieses billige Zimmer bewohnen, und dann würde sie auch kein Gebetbuch haben.«

      Beim nächsten Zimmer hat Ingrid keine Zweifel über den Reichtum der Bewohnerin. »Die hat bestimmt viel Geld.«

      Sie beginnt die Schuhe zu zählen, die den Boden des ganzen Wandschrankes bedecken.

      »Soviel Schuhe werde ich in meinem ganzen Leben nicht besitzen, auch wenn ich noch so alt werde und meine Babyschuhe noch mitrechne.«

      »Hör auf mit dem Zählen, du machst dir auch Arbeit, die du nicht unbedingt nötig hast.«

      »Schau, Celestina, wie viel Kleider und Mäntel! Wie würde ich aussehen, wenn ich solche Kleider trüge? Besser als die Frau, der sie gehören. Ich hab' sie einmal gesehen. Fabelhaft elegant angezogen, – aber schön war sie doch nicht.

      Celestina, wenn du die Tür bewachen und darauf achten wolltest, dass Frau Magpag nicht hereinkommt, möchte ich schnell dieses Abendkleid anprobieren.«

      »Du bist wohl ganz verrückt! Als ob ich nichts Besseres zu tun hätte! Du wirst dir auch allerlei dumme Gedanken in den Kopf setzen, genau wie Shirley. Ihr seht all die schönen Sachen und denkt an nichts weiter, als daran, wie ihr auch alles genau so haben könntet.«

      »Celestina, sei doch nicht so langweilig, ich möchte doch nur ein bisschen Spaß haben. Es fällt mir nicht ein, so werden zu wollen, wie die sind.«

      »Du merkst es kaum, und schon denkst du immer an schöne Kleider.«

      Das nächste Zimmer wirkt kahl, alles ist sorgfältig weggeräumt. Aber Ingrid lacht, als sie den Inhalt des Papierkorbes entleert.

      »Das muss eine kindische Person sein, die hier wohnt. Celestina, sieh dir mal all die Papierfetzen an.« Sie sind zum Teil zerrissen, aber überall sind die gleichen Buchstaben, ist das gleiche Wort zu entdecken; manchmal sind auch die Buchstaben durcheinander geworfen, doch immer kehren sie wieder: A-R-Z-T; Arzt steht da überall, klein und groß geschrieben, manchmal im Kreuz, manchmal im Kreis, erst in dichter, dann in ganz weiter Reihenfolge, immer das gleiche Wort: Arzt. »Ein komisches Spiel, nicht wahr?«

      Ingrid findet auch Zeichnungen, die genau so kindisch sind. Eine Männergestalt im weißen Kittel, sehr primitiv hingezeichnet, manchmal hält die vorgestreckte Hand ein Messer oder irgendein ähnliches Instrument. »Lach doch nicht so albern«, Celestina sieht sich auch die Zettel an. »Wenn man einen Arzt braucht, ist das nie zum Lachen.«

      In diesem Augenblick tritt die Bewohnerin des Zimmers ein.

      Ingrid will erschrocken mit dem Papierkorb abziehen. »Ich komme wieder, wenn Sie fort sind.«

      »Sie können ruhig weiterarbeiten, Sie stören mich nicht.« Die Dame mustert Ingrids frische Jugend, und Ingrid kann sich nicht enthalten, einen neugierigen Blick auf ihr verfallenes Gesicht zu werfen. In ihren Augen liegt Verzweiflung.

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