Hotel Amerika. Maria Leitner
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Название: Hotel Amerika

Автор: Maria Leitner

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ ist.

      Fünftes Kapitel

      Jedes Mal, wenn Celestina das Reich der Gäste betritt, wird sie überwältigt von der wunderbaren Stille und Ruhe, die hier in jedem Winkel herrschen. Die Schritte ersterben in weichen Teppichen. Mit Bedacht wird bei der Arbeit Lärm vermieden; die Stimmen des Personals senken sich zum Flüstern. Der Gang der Stubenmädchen wird schwebend, die Haushälterinnen scheinen überhaupt nicht den Boden zu berühren, wenn sie die Korridore der Gäste betreten. Celestinas Arbeitsstätte zeichnet sich durch besondere Vornehmheit aus. In diesem Stockwerk befinden sich die teuersten Appartements, große Konferenzsäle und dem ›individuellen Geschmack‹ entsprechend eingerichtete Empfangsräume.

      Jedes Stockwerk untersteht einer besonderen Haushälterin. Sie tragen alle das gleiche schwarze Seidenkleid und das gleiche verbindliche Lächeln; das allen gemeinsame Lächeln wie die Kleider scheinen in der gleichen Fabrik angefertigt zu sein. Nur die Namen der Haushälterinnen sind verschieden. Celestinas Vorgesetzte ist Frau Magpag. Die Etagenvorsteherin heißt Fräulein Wesley. Ihr Schreibtisch steht in der Halle, den Personenaufzügen gegenüber. Es gibt nicht weniger als ein Dutzend Aufzüge für die Gäste, aber niemand kann hinauffahren oder hinabfahren, ohne von Fräulein Wesley gesehen zu werden. Fräulein Wesley nimmt auch die Nachrichten, die an die Gäste ihrer Etage aus allen Teilen der Welt kommen, entgegen. Mit dem »ticker«, dem elektrischen Fernschreiber, zeichnet sie mit merkwürdigen Buchstaben die Mitteilungen auf, die sie an ihre Gäste gelangen lassen muss. Der elektrische Stift schreibt von selbst, als führe eine Geisterhand Fräulein Wesleys Finger.

      Was Fräulein Wesley nicht zu wissen bekommt, erfahren die Detektive, die lautlos und unauffällig umherwandeln und nur manchmal vor einer Tür stehen bleiben. Hinter den sorgfältig geschlossenen Türen führen die Gäste ihr Leben für sich, und man weiß von ihnen nur das, was zufällig durchsickert.

      Celestina beginnt, die Marmorfliesen der Aufzüge zu scheuern. Die Lifts für die Gäste sehen sehr verschieden aus von den riesigen schmutzigen Kästen, die dem Personal zur Verfügung stehen; die Böden sind mit Perserteppichen belegt, die Wände mit Leder tapeziert; es gibt besondere Vorrichtungen, die jede unangenehme Schwankung auffangen; wie leichte Vögel schießen diese Aufzüge lautlos auf und nieder.

      Während Celestina mechanisch die ihr zufallende Arbeit verrichtet, muss sie immer wieder an Shirley denken. Sie findet es wohl begreiflich, dass ihre Tochter dem schweren Leben entfliehen möchte – aber kann ihr diese Flucht gelingen? Wird es ihr später nicht noch schlechter gehen? Shirley ist mir böse, denkt sie, während sie den Boden wischt und vor ihrer Nase elegantes Schuhwerk vorbeidefilieren sieht; Shirley ist böse auf die Mutter, die ihr kein besseres Leben geboten hat. Ja, Celestina hat nichts tun können, damit Shirley es besser habe als sie selbst. Aber wie und was hätte sie das Mädchen lernen lassen sollen, wo das Geld nicht einmal für das Allernotwendigste reichte …? Und dann schien es Celestina überdies gar nicht notwendig, dass Shirley auch so ein Büromädel wurde, das auf andere, die noch schwerer arbeiten, herabblickt. Nein, ihre Tochter sollte das Leben, das sie zu führen gezwungen war, kennen lernen, – sie, die jung und frisch ist und auch nicht dumm. Die Junge könnte eher als die alten, müden Köpfe auf Gedanken kommen, die einen Ausweg aus dem Elend zeigten. Aber wenn sie sich einfach aus dem Staube macht, nützt sie niemandem, nicht einmal sich selbst … Man beginnt, die Frühstückstafeln für die Gäste zu bringen; sie werden von den Kellnern aus einem sehr geräumigen, zu diesem Zweck besonders reservierten Aufzug mit viel Sorgfalt herausgehoben.

      Die Frühstückstische werden von allen mit Interesse betrachtet, sogar von Fräulein Wesley und Frau Magpag. Sie sind aber auch entschieden sehenswert. In einer schlanken Vase steht eine Blume in der Mitte des Tisches, um kundzutun, dass hier nicht nur auf materielle Genüsse Wert gelegt wird. Die gerösteten Brote liegen zwischen weißen Servietten, wie kleine Babies liebevoll zugedeckt. Der Kaffee in den silbernen Kannen duftet angenehm und aromatisch und scheint nicht die geringste Verwandtschaft mit dem gleichnamigen und gleichfarbigen Gebräu, das in der Angestelltenküche gereicht wird, zu haben. Die Schlagsahne schmiegt sich in zierliche Silberschälchen, während die Milch in einem schön geschwungenen Kristallglas serviert wird. Erdbeeren liegen rosig zwischen grünen Blättern, frische Pfirsiche, das goldgelbe Fleisch sorgfältig aufgeschnitten, noch mit den blutroten Spuren der abgetrennten Kerne, liegen aufgeschichtet daneben. Braungekräuselter, dünngeschnittener Speck, gebratene Würstchen und geröstete Hammelkoteletts, mit weißen, gekräuselten Papiermanschetten verziert, ruhen, wie es sich gehört, unter schützenden silbernen Schalen, die aber von Zeit zu Zeit von Neugierigen aufgehoben werden. Die Kellner müssen allerlei Späße anhören, die sich auf die reich gedeckten Tische beziehen, aber auch Begehrlichkeiten wehren, die sich gegen diese Tische richten.

      Sogar Fräulein Wesley flötet jedes Mal, wenn sie einen Frühstückstisch vorbeischweben sieht, den Kellnern freundlich zu: »Vergessen Sie mich nicht, mein Lieber, wenn etwas Kaffee übrig bleibt, ich habe solchen Durst.«

      Aber sie hat nur selten Gelegenheit, ihn zu stillen; es kommt nicht oft vor, dass von den Gästen etwas verschmäht wird. Sogar Frau Magpag verliert beim Anblick der Tische ihre Würde und notiert sich die Nummern der Zimmer, in denen sie verschwinden. Auf diese behält sie ein Auge, und sie ist die erste, die nachkontrolliert, sobald die Gäste das Zimmer verlassen.

      Aber leider wird auch Frau Magpags Aufmerksamkeit selten belohnt. Ja, der Appetit der Gäste ist staunenswert. Ingrid nimmt ihren Zimmerbestand auf. Sie notiert auf einem Zettel die freien Zimmer, meldet Fräulein Wesley, wenn jemand auswärts geschlafen hat und prüft dann, aus welchen Zimmern die Gäste schon ausgegangen sind. Zu diesem Zweck ist an jedem Schloss ein Knopf angebracht. Kann man ihn herunterziehen, so ist das ein Zeichen, dass von innen kein Schlüssel in dem Schloss steckt; ist ein Schlüssel drin, bleibt der Knopf unbeweglich. »Die Leute sollten wirklich nicht vergessen, dass sie ihre Schlüssel nicht abziehen dürfen, wenn sie zu Hause sind«, sagte Ingrid zu dem dänischen Kellner, der gerade mit einem besonders reichgedeckten Tisch in ein Zimmer wollte. »Es ist schrecklich, wenn man plötzlich in ein Zimmer gerät und die Bewohner sind noch drin, die sich allein und ungestört glauben. Wirklich, man müsste eine Tafel anbringen und die Gäste darauf aufmerksam machen, wie sie sich einschließen sollen.«

      »Als ob die sich viel daran kehren würden, ob wir sie sehen oder nicht! Der Kerl, zu dem ich mit der großen Bestellung gehe, hat sicher wieder zwei Weiber in seinem Bett. Nun, wenn er ein gutes Trinkgeld gibt, kann er meinetwegen auch tun was er will, sonst mache ich Krach.«

      »Wenn er seine Rechnungen bezahlt, kannst du lange Krach machen, dann darf er tun, was er will.«

      »Na, ich werde ihn schon so ansehen, dass er das Trinkgeld nicht vergisst.«

      »Also viel Glück!«

      »Wenn sie etwas übriglassen, werde ich an dich denken, Kleines.«

      Celestina ist heute der Sektion Ingrids zugeteilt und hat die Badezimmer gründlich zu reinigen, während Ingrid die Zimmer in Ordnung bringt.

      Dieser Teil ihres Tagewerks beginnt in einem Zimmer, das zu den merkwürdigsten Räumlichkeiten des Hotels Amerika gehört. Hier wohnt eine alte Frau, eine Kaffeeplantagenbesitzerin aus Westindien, die ihr Zimmer in einen Miniatururwald verwandelt hat: mit zwei Palmen, einem Affen, der auf diesen Palmen umherklettert, einem Papagei und einem weißen Kakadu. Vor allem aber gibt es, dank dieser Tiere, sehr viel Schmutz, den die Besitzerin nur nach einem gewissen Plan wegräumen lässt. Es gibt in diesem Zimmer ›Wege‹, die rein zu sein haben, alles andere ist »Wald«, und hier soll der ›Naturzustand‹ aufrechterhalten bleiben.

      Die alte Frau beaufsichtigt selbst die Reinigungsarbeiten und schimpft mit einer Stimme, die der des Papageis ähnelt. »Du kannst keinen Besen richtig halten!« schreit sie Ingrid an.

      Ingrid kostet es Mühe, ihr nicht ins Gesicht zu lachen. Die Alte folgt dann Celestina ins Badezimmer. Mit zusammengekniffenen СКАЧАТЬ