Hotel Amerika. Maria Leitner
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Название: Hotel Amerika

Автор: Maria Leitner

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ in angemessener Entfernung von den besseren Gegenden. In diesen Häusern wohnen die männlichen Angestellten der Luxushotels und Appartementhäuser, hier wohnen Fabrikarbeiter, Geschirrwäscher aus feinen Restaurants, mit einem Wort, hier wohnen Leute, die nur über geringe Mittel verfügen.

      Diese Hotels nehmen sogar Rücksicht auf eine eventuelle Verschlechterung der Finanzlage ihrer Gäste. Man kann, wenn man ständige Arbeit und damit auch ein ständiges Einkommen hat, ein eigenes Zimmer besitzen. Für einen Dollar pro Nacht. Man kann mit einigen anderen zusammenwohnen und fünfzig Cents zahlen. Der billigste Platz aber kostet fünfundzwanzig Cents; man schläft dann zusammengepfercht mit seinen Leidensgenossen im großen Schlafsaal. Es gibt in diesen Hotels auch »Gesellschaftsräume«, die sich gleichen, wie ein Ei dem anderen, wie sich das Schicksal all ihrer Insassen gleicht.

      In der Mitte des ›Gesellschaftsraumes‹ steht der große Ofen; im Winter sind die Plätze um ihn herum heftig umstritten. Die Stühle stehen rings der Wand entlang. Man spielt Karten oder liest Zeitungen. Es wird nur wenig gesprochen. Auch Fritz wohnt in ›Onkel Sams Hütte‹. Anfangs fand Fritz lohnende Arbeit in seinem Beruf als Dreher, Qualitätsarbeiter. In der Fabrik gab es bald Kämpfe. Die Arbeiter versuchten, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Fritz war ganz dabei. Die Arbeiter merkten, dass er etwas vom Organisieren verstand, – aber auch der Unternehmer! Er war der erste, der gefeuert wurde. Was aber Fritz am meisten wurmte, war, dass seine Arbeitskollegen nicht viel Aufhebens aus der Sache machten. Man wagte noch nichts Rechtes, jeder hatte zu große Angst um sein Stückchen Brot. Und Fritz machte die Erfahrung, dass diese Angst nicht ganz unberechtigt war, obgleich er bereit war, auch ungelernte Arbeit anzunehmen.

      Bevor er krank wurde und noch von etwas Erspartem leben konnte, lastete die Erwerbslosigkeit nicht so schwer auf ihm. Er saß den ganzen Tag in der Bibliothek, wartete gespannt, dass auf der schwarzen Tafel seine Nummer rot aufleuchtete und ihm anzeigte, dass das Buch, das er verlangt hatte, ihm zur Verfügung stände.

      Die Bücher, die sich mit der Geschichte der Arbeiterbewegung befassten, zeigten ihm klar, dass das, was ihm geschah, nicht blinder Zufall war, dass er kein Einzelschicksal haben konnte. Sie wiesen aber auch einen Ausweg, gaben die Gewissheit, dass nach heftigen Kämpfen eine völlig andere, eine neue, vernünftigere Zeit kommen wird. Ohne diesen Ausblick musste das Leben, das er zu führen gezwungen war, unerträglich erscheinen.

      Er versuchte über diese Frage mit seinen Kameraden in ›Onkel Sams Hütte‹ zu sprechen. Es war nicht leicht. Jeder hatte eine andere Sprache, und man musste jedes Wort lange hin und her wenden, bis es von allen verstanden wurde. Aber dann kamen doch Diskussionen in Gang. Bei einer solchen Gelegenheit machte Fritz die Bekanntschaft Heinrich Klüters.

      Aber der Geschäftsführer von ›Onkel Sams Hütte‹ machte solchen Gesprächen ein baldiges Ende. Hier werden keine aufrührerischen Reden gehalten. Im ›Gesellschaftsraum‹ wird eine große Tafel angebracht mit der Aufschrift: »In diesem Raum ist das Reden verboten.« Fritz war empört.

      »Wie, sogar dann, wenn wir zahlen, wenn wir nicht arbeiten, bindet man uns den Maulkorb um?« Heinrich Klüter nahm die Sache gelassener auf. »Solche Aufschriften findest du in allen diesen Hotels. In den ›Gesellschaftsräumen‹ soll man Karten spielen, alte Zeitungen lesen und das Maul halten.

      Heinrich Klüter wohnt schon drei Jahre in ›Onkel Sams Hütte‹, seitdem er seinen Dienst im Hotel Amerika verrichtet. Die Hochbahn fährt an seinem Fenster vorbei. Anfangs hatte er immer das Gefühl, als sause sie jedes Mal über seinen Körper. Doch dann gehörte auch sie zu seinem Schlaf, genau wie das Halbdunkel des Zimmers und aller Lärm des Tages.

      Die enge Freundschaft zwischen Heinrich und Fritz nahm ihren Anfang in einer der freien Nächte, als Heinrich wieder seiner Gewohnheit gemäß ›Onkel Sams Hütte‹ durchwanderte. Er konnte nicht anders, er musste Nachtwache halten, aber sie war anders, als die im Hotel Amerika. In ›Onkel Sams Hütte‹ gibt es wenige Geheimnisse, vor allem ist jede ›Unsittlichkeit‹ ausgeschlossen. Vor den Eingängen dieser ›Onkel Sams Hütten‹ stehen Tafeln: »Hier ist der Eintritt für Frauen streng verboten.« Trotzdem konnte der Nachtwächter Klüter auch hier viel Merkwürdiges bei seinen Nachtwanderungen entdecken. Er hörte die Schreie und Seufzer der Schlafenden, sah, wie gerade die Armseligsten ihr wertloses Hab und Gut sogar im Schlaf krampfhaft umklammerten. Am misstrauischsten sind die sehr Armen und sehr Reichen, dachte der Nachtwächter Klüter.

      Viele schrieen im Traum nach den Ihren, die in der alten Heimat lebten; er hörte aber auch wilde Wutschreie und Verwünschungen, die tagsüber unterdrückt werden mussten.

      In jener Nacht fand der Nachtwächter Klüter Fritz unter der Treppe schlafend. Er konnte die Schlafstelle nicht bezahlen; schon seit Tagen blieb er die fünfundzwanzig Cents für ein Bett schuldig. Der Geschäftsführer machte nicht viel Federlesens mit ihm; er behielt Fritz' Mantel und wies ihm die Tür.

      »Mach, dass du hinauskommst«, schrie er ihn an. »Aber wohin soll ich denn gehen, was soll ich machen?« Fritz war richtig verzweifelt, so dass er schon den Geschäftsführer um Rat bat. Der war kurz angebunden.

      »Geh auf die Bowery, da gehört ihr Strolche alle hin.« Diesen Rat aber wollte Fritz nicht befolgen; er wartete ab, bis der Geschäftsführer sich verzog, dann machte er es sich unter dem Treppenabsatz unbequem. Er ist sonst nicht ängstlich, aber vor der Bowery hat er doch Angst. Sicherlich ist sie die fantastischste Straße der ganzen Welt, denkt Fritz, man soll lieber nichts mit ihr zu tun bekommen.

      An die Bowery denkt er auch jetzt, im Vorzimmer des ›Zeithalters‹. Sie flößt ihm wahres Entsetzen ein. Er ist noch von Berlin allerlei Elend gewöhnt, aber das hier ist doch etwas anderes, diese wildwuchernde Unordnung. Fritz kennt eine behördlich registrierte, gestempelte, statistisch und amtlich festgestellte Armut, mit Anstellen und Aufschreiben, mit Zetteln und Ämtern, mit eingezogenen Erkundigungen und alphabetischem Verzeichnis.

      Auf der Bowery kann man sich höchstens um eine verdächtig aussehende Suppe anstellen, die in einem Blechtopf zusammen mit Gebeten und Predigten serviert wird. Es gibt Nachtasyle in Kirchen, in denen man auf Zeitungspapier schläft und wo man von Neugierigen, die in Touristenautos angefahren kommen, gegen Eintrittsgeld, das aber nicht ihnen, sondern der Kirche zugute kommt, bestaunt wird. Heilsarmeesänger vermischen sich mit Betrunkenen und schweren Jungens; Stellenvermittelungsbüros, die Sklavenmärkte genannt werden, sind Gebethäusern und Juwelengeschäften, in denen beste ›Sore‹ feilgeboten wird, benachbart. Fritz hat vor allem vor den Stellenvermittelungsbüros Angst. Sie vermitteln nur Stellen nach auswärts. Transporte gehen von dort ab in menschenleere Gegenden, um Wege zu bauen, oder nach einem primitiven Bergwerk, in dem alle Sicherungen fehlen, die das Leben der Arbeiter schützen. Noch schlimmer. Hier werden Streikbrecherkolonnen organisiert, ohne dass die Beteiligten etwas davon ahnen. Erst wenn sie die Reise hinter sich haben und keinen Cent mehr besitzen, um zurückfahren zu können, erfahren sie den Zweck ihrer Fahrt.

      Sagt einer ›ja‹ in diesen Agenturen, so ist er schon Sklave. »Na, Junge, bleib man da, deine Kolonne geht bald ab.« Und schon sitzt er in der Falle.

      Nein, das ist nichts für Fritz, da will er lieber die Hände von der Bowery lassen.

      Fritz hatte Glück, dass ihn Heinrich fand und, als er das Schicksal Fritz' erfuhr, mit dem Geschäftsführer eine Abmachung traf, wonach Fritz nachts, wenn Heinrich auf Arbeit ging, in dessen Bett schlafen durfte.

      Jetzt werden beide hineingerufen zu dem Mächtigen. Der Nachtwächter Klüter dreht seinen Hut in der Hand und entwirft ein schmeichelhaftes Bild Fritzens. Der ›Zeithalter‹ beugt sich über eine riesige Tabelle mit vielen Zahlen, die das Personal bedeuten. Er macht grafische Zeichnungen wie ein Feldherr. Nein, Nachtwächter kann Fritz nicht werden. Er wird bleich. Sollte auch heute alles vergeblich sein? Aber der Mächtige will doch mal sehen; er setzt eine wichtige Miene auf. Dann stößt er mit dem Bleistift, sagt kurz: ›Küche‹ – und somit kommt Fritz СКАЧАТЬ