Lache Bajazzo. Artur Landsberger
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Название: Lache Bajazzo

Автор: Artur Landsberger

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Sie es in Carls Interesse nicht richtiger, Agnes, wenn er nun endlich wieder an die Arbeit ginge?«

      »Ich bitt’ Sie, ob das neue Werk in zwei Jahren oder in zwei Jahren und einem Tage fertig ist, das ist doch wahrhaftig gleichgültig.«

      »Es ist nicht der Tag, es ist das System,« sagte Brand, schon mehr vor sich hin.

      Unter System verstand Agnes vielleicht fälschlich in erster Linie Carls Frau, die ja vermutlich auch in irgendeiner Form in das System, von dem Brand sprach, mit hineinspielte.

      Sie kämpfte schwer und wohl zum ersten Male, um eine Antwort, die sich aus dem Blute ihr aufdrängte, zu unterdrücken. Sie biß die Lippen zusammen, krampfte die Hände und würgte die Antwort herunter. Aber in ihrem Gesicht stand das Wort: Kampf.

      Und Brand las es und erriet, wem es galt. Er suchte ihren Blick und sah sie an. Sie erschrak und fühlte, daß sie in ihm einen Gegner hatte.

      Estella, die sich immer wieder von ihrem Ziele abgedrängt sah, brachte das Gespräch zum dritten Male, was nun schon nicht mehr unabsichtlich schien, auf Carls Drama.

      »Das nächste Stück hat ja wohl eine weibliche Rolle, die der Helenas entspricht,« fragte sie.

      »Das möchte ich nicht sagen!« erwiderte Carl, und entwickelte in ein paar Zügen den Charakter der weiblichen Hauptrolle.

      »Das ist mir ja wie auf den Leib geschrieben!« rief Estella, »nein, wie ich mich darauf freue, das zu spielen.«

      Der Direktor verzog den Mund und machte ein dummes Gesicht. Carl sah sie an und sagte:

      »Nun, wir wollten, offen gesagt, die Wedelly von der Burg für die Rolle gewinnen.«

      Estella zwang sich zum Lachen.

      »Nicht nett von Ihnen, Herr Doktor, mich zu frotzeln; auch als Scherz kränkt’s mich. – Sehen Sie,« und sie wies auf ihre Finger, die nervös zitterten, »das ist unser Künstlerblut.«

      »Das tut mir aber leid,« sagte Carl teilnahmsvoll und wandte sich an Brand und den Direktor. »Vielleicht, daß wir’s noch ändern.«

      »Wie?« rief Estella grell und ließ geschickt Messer und Gabel fallen, so daß zwei Teller laut in Scherben sprangen – »Nein! das ist ja nicht möglich! Das kann nur ein Scherz oder ein Bluff sein! Das hieße ja, mich der Lächerlichkeit preisgeben! Das wäre ja eine Provokation! eine bewußte Erniedrigung! ein wohlbedachtes mich Totmachen! Wo jeder weiß, daß ich da bin, daß ich die Helena spiele, und wie spiele —« und sie zitierte aus dem Gedächtnis Wort für Wort ein halbes Dutzend von Kritiken, in denen man ihre Leistung maßlos lobte.

      »Wie können Sie nur so reden,« sagte der Direktor, »wo Sie genau wissen, wie ich Sie schätze.«

      »Das seh ich!« sagte Estella.

      »Ich versteh janich, wie man sich um das bißchen Theater so aufregen kann,« sagte Peter. »Sei doch froh, wenn du nicht soviel zu lernen brauchst.«

      »Das verstehst du nicht!« rief Estella.

      »Das geb ich zu,« sagte Peter.

      »Aber Sie wissen es,« wandte sie sich an den Direktor, »daß da meine künstlerische Ehre engagiert ist.«

      »So hören Sie mich doch nur einmal ruhig an, ich will es Ihnen ja erklären.«

      »Da gibt es keine Erklärung!« rief Estella.

      »Also zunächst mal: niemand will Sie kränken. Wir alle schätzen Sie als weitaus bestes Mitglied des ganzen Ensembles. Aber Sie wissen, ich habe außer dem Neuen Theater noch das Stadttheater gepachtet.«

      »Muten Sie mir etwa zu, da aufzutreten?« fragte Estella verächtlich – »in dem Arme-Leute-Viertel?«

      »Uns, und ich hoffe auch Ihnen, liegt daran, daß die Werke Holtens, über deren Bedeutung wir uns ja alle klar sind, ins Volk, in die Massen dringen.«

      »Und ausgerechnet ich soll das vermitteln; soll vor einem Publikum spielen, das eine Tingeltangeleuse nicht von einer Heroine unterscheiden kann?«

      »Also während man das neue Drama Holtens im Neuen Theater spielt, wollen wir – und zwar in der gleichen Besetzung – die Helena im Stadttheater spielen.«

      »So! – Und wenn es Ihnen eines Tages einfällt, Herrn Holten noch tiefer in die Massen dringen zu lassen, dann muß ich womöglich drei Wochen lang auf einem Budenrummel in Kyritz oder Treuenbrietzen gastieren, während Sie mir in Berlin eine Konkurrenz großpäppeln, die inzwischen die Rollen spielt, die kontraktlich mir zukommen. Nein, Herr Direktor, Schundluder lasse ich mit mir nicht treiben. Das habe ich nicht nötig, und dazu ist man Gott sei Dank auch wer!«

      »Das kann ja alles in Ruhe morgen im Bureau besprochen werden,« sagte der Direktor. »Wir wollen doch hier nicht . . .«

      Aber Estella ließ sich den Mund nicht verbieten.

      »Nein!« rief sie, »ich verlange auf Grund meines Vertrages einfach die Rolle in dem neuen Stück! Lassen Sie in Ihrem Vorstadttheater meinetwegen sonstwen als Helena auftreten. Es gibt genug Schmierenkomödiantinnen, die sich noch um die Ehre reißen. Wie wäre es zum Beispiel mit Agnes? Die ist mir ja angeblich zum Verwechseln ähnlich.« Sie lachte laut auf. »Das wäre ja dann ein vollwertiger Ersatz.«

      Für Peter war Estella mit diesem Augenblick erledigt. Frauen, die derart aus der Rolle fielen, ertrug er nicht. Der Direktor vergegenwärtigte sich den Vertragsparagraphen, auf den sich Estella stützte, um sich für den Fall eines Prozesses über die juristische Lage zu orientieren. Der Geheimrat dachte: Wie wird meine Frau bereuen, das versäumt zu haben. Die beiden Brands bedauerten Carl, da sie wußten, daß er tagelang unter dem Eindruck dieser häßlichen Szene stehen und leiden würde. Aber Agnes, die Estella, ohne es zu wissen, an ihrer empfindlichsten Stelle getroffen hatte, sprang auf:

      »Einverstanden!« rief sie. »Ja! Ich spiele die Helena. Ich, die Schmierenkomödiantin nehme den Kampf mit dir, große Künstlerin, auf. Ich spiele! Wie du! So verlogen und so raffiniert! Ich mache denselben großen Schwindel! Vielleicht sogar besser als du, weil ich zehn Jahre jünger und tausendmal hübscher und schlanker und gewandter bin als du. Und mit dem griechischen Tanz, der fortbleiben mußte, weil du zu klobig und zu plump warst – ja! ja! meine Herrschaften, das wußten Sie noch gar nicht! – stech’ ich dich aus! Und dann – weißt du, was dann geschieht? Dann spielen wir abwechselnd, einen Abend du, den anderen ich. Und der Teufel soll mich holen, wenn das Theater an meinen Abenden nicht voller ist als an deinen. Und nachher, dann werden an deinen Abenden die Preise ermäßigt; du verstehst? weil sonst nämlich keine Katze mehr hineingeht. Und am Ende da wirst du noch froh sein, wenn du durch mich als Schmierenkomödiantin in Kyritz oder Treuenbrietzen oder in einem Armenviertel unterkommst.«

      Eine Pause entstand. Alle waren starr. Nur Peter grinste, schob den Kneifer gerade und sagte:

      »So’n Klamauk!«

      Estella fühlte sich einer Ohnmacht nahe und schloß die Augen.

      Nach einer Weile fuhr Peter fort:

      »Also, das is nu mal Tatsache: von allen Weibern sind die von der Bühne die verrücktesten! – Ich verstehe nicht, wie ein Mann das aushält.«

      Diese Sachlichkeit wirkte beruhigend und nahm die Angst, die auf allen lag.

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