Das verbrannte Bett. Alice Berend
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Название: Das verbrannte Bett

Автор: Alice Berend

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ gerad in der Stunde verendet war, als Napoleon in Wien eingezogen.

      Konstanze hatte Tränen in den Augen. Sie entschuldigte dies lächelnd. Sie wisse selbst nicht, warum sie plötzlich traurig sein müßte. Wien wäre so weich und rührend.

      Herr Blümel hatte Weibertränen bisher für eine der übelsten, verlogensten und raffiniertesten Naturerscheinungen gehalten.

      Sogar zu jenen Natürlichkeiten, die sich so täuschend nachahmen ließen, daß man meistens nur Imitation zu sehen bekam.

      Gerad heut jedoch hatte er in der Zeitung gelesen, daß frische Tränen tötend auf Krankheitserreger und Bazillen wirkten.

      Möglich, daß dies die Ursache war, daß er sich eingestehen zu müssen glaubte, daß diese Tropfen des Gefühls wie Edelsteine glänzten. Er hielt Aufrichtigkeit durchaus für Pflicht.

      Man hörte schweigend den »Schönbrunner« des Meisters Lanner.

      Man war nicht unzufrieden, daß nach seinem Verklingen ein kleiner Zwischenfall die Aufmerksamkeit beschäftigte. Einem Bübchen war der Luftballon entflogen. Das Kind weinte, die Mutter schalt.

      Ein alter Herr, kleingestaltig, zusammengeschrumpft wie ein Heinzelmann, trat zu dem Weinenden und sagte, der Bub müsse darüber lachen, daß der Bunte so hoch hatte fliegen können, wie er Kraft in sich hatte. Oben werde er zerplatzen vor Freude darüber, daß er der Sonne so nah kommen gedurft. Im Zimmer wäre er verschrumpft wie ein Bratapfel.

      Bei diesem fröhlich vertrauten Wort lachte der Junge auf, getröstet.

      Zur scheltenden Mutter meinte der zierliche Alte, daß sich ihre Ausgabe für den Davongeflogenen reichlich belohnt hätte. Der hätte den Jungen in wenigen Augenblicken alles durchleben lassen, was man an Empfindungen gewinnen könne. Sehnenden Wunsch, Erfüllung, Freude am Besitz und den Schmerz des sich ins Unbekannte verlierenden, nie zu haltenden Glücks.

      Herr Blümel sah in Kindern eigentlich Störenfriede.

      Heute rührte ihn der kindliche Kummer. So war also auch solch Kleiner schon einverleibt in den Kreislauf des

      Schmerzes, mit der ganzen Wucht des Menschseinmüssens. Ein echt Wiener Gesichtchen hatte der Junge.

      Herr Blümel äußerte zu Konstanze, daß es wohl nur in Wien solche Art Bübchen, tief empfindend und reizend, geben könnte.

      Konstanze lachte. Sie war der Meinung, daß Kinder überall etwas sehr Liebliches, Ernstes, Heiteres, Rätselhaftes, Kostbares wären. Auch in Berlin wäre das nicht anders.

      Herr Blümel wurde plötzlich feuerrot, tupfte sich die Stirn und sagte, daß die Sommerhitze heute bis in den Abend zu dauern scheine.

      Konstanze hatte dem zierlichen alten Herrn nachgesehen.

      Sie sagte, er hätte die Lebhaftigkeit eines Kapellmeisters in den Bewegungen. Sicher wäre er einer von den bedeutenden Musikern Wiens. Oder sein Gespenst.

      Als Antwort versuchte Herr Blümel aufs neue sich Glanz und Schimmer zu entlehnen zu eigenem Schmuck.

      Er brauchte diesmal einen kleinen Umweg. Er schilderte große Landsleute, aber in ihren menschlichen Schwächen.

      Schubert verstand zu komponieren, aber nicht hauszuhalten. Mozart sprudelte über von Melodien, aber auch von Launen. Beethoven der Gewaltige war unmöglich im Umgang, und seine Hände sollen behaart gewesen sein bis an die Fingerspitzen.

      Diese Behauptung lenkte unwillkürlich die Blicke auf die eigenen Hände.

      Herr Blümel war ein wenig eitel auf die seinen. Ein Mann, dessen Handwerkszeug Kantel, Bleistift, Federhalter und appetitlich weißes Papier waren, konnte es sich erlauben, seine Nägel zu pflegen. Herr Blümel sah darin sogar eine angenehme Zerstreuung, billig und beruhigend, wenn die Schere knipste, die Feile hobelte, das Leder polierte, sommers am offenen Fenster, winters im warmen Zimmer.

      Trotzdem waren es nicht die Hände eines Dandys.

      Konstanze mußte sich eines Gesprächs mit Udo erinnern.

      In der phlegmatischen Frechheit, mit der Udo alle seine Behauptungen aufstellte, hatte er über Hände gesprochen, diese unfreiwilligen Wappenschilder, mit denen Konstanze den ganzen Tag über in Beziehung stehen mußte.

      Udo wollte wissen, daß es nur zwei wirkliche Unterschiede unter allen Abarten dieses menschlichen Werkzeugs, dieser Waffe, dieses Gerätes, Instrumentes, Spielzeugs gäbe: Finger, bei denen man spürte, daß sie jederzeit bereit waren, in Nasen und Ohren zu bohren, und solche, denen man solches niemals zuzutrauen wagte.

      Konstanzes Blick spielte auf Herrn Blümels Hand, die auf dem Tisch Dreivierteltakt klopfte.

      Konstanze errötete dabei. Wie wenn sie sich plötzlich eines hinterhältigen Gedankens gegen einen Arglosen schelten müsse.

      Dabei glaubte sie nichts anderes gedacht zu haben, als daß solche korrekte Hände gewiß prachtvoll dafür zu sorgen vermochten, daß Geschäftsbücher ohne Eselsohren und Tintenflecke geführt würden …

      Die Musik summte aus mit schmetterndem Schlußakkord.

      Abendsonnenlicht durchströmte die Adern des grünen Laubes mit weinrotem Blut.

      Aus dem nahen Tierpark rollte Brüllen nachtwach werdender Löwen und Tiger, schweres Rauschen machtvoller Adlerschwingen, die sich wie segnend vergeblich zum Flug auszubreiten suchten.

      Nun eilte jeder der Stadt zu. Dreivierteltakt im Sinn und Schritt. Am Weg standen die Bettler.

      Lachen, Geplauder vermischten sich mit der milden Luft.

      An steiler Himmelswand, wo das Rot rasch erloschen, kletterte der kreisrunde Mond, langsam wie ein korpulenter Bergsteiger, hoch und höher.

      Herr Blümel beeilte sich, noch einmal die Gemütlichkeit seines Wiens zu preisen.

      In Konstanze bockte plötzlich etwas Böses, Traurigmachendes.

      Sie antwortete, Gemütlichkeit wäre auch nichts anderes als grausame Gedankenlosigkeit.

      Das Durcheinander der Autos hatte sie daran erinnert, daß Udo Erregung, Anspannung, Gefahr als höchste Güter pries. Daß, wenn er ein Auto lenkte in gewagtester Geschwindigkeit, er das damit entschuldigte, daß er Raubritterblut in den Adern, schon seine ältesten Vorfahren wären der Schrecken der Landstraße gewesen.

      Herr Blümel war beunruhigt. Frauen blieben unverständliche Wesen. Eben noch lächelten sie, dann blickten sie fremd wie von einem anderen Stern herunter. Sie schienen aus anderem Stoff wie man selbst, waren niemals das, was man vermutete.

      Herrn Blümels Unbehagen verstärkte sich, als Konstanze vor dem Parktor glattweg in ein Auto stieg. Nur weil sie müde war von allzuviel Sommerluft.

      Die Fahrt verlief schweigsam. Konstanze hielt die Augen geschlossen. Herrn Blümels Blick war auf den Preiszeiger gerichtet. Dieser drehte sich schneller als irgendein Gestirn am Himmel.

      Trotzdem beschloß Herr Blümel die Endsumme ohne Zögern zu bezahlen. Er fühlte sich verpflichtet, der Berlinerin zu beweisen, daß Wien noch immer die Stadt der Kavaliere.

      Jedoch er konnte nicht verhindern, daß er im Sausen der Fahrt geschwind berechnen mußte, wieviel Wäscherechnungen oder wieviel Stiefelsohlen СКАЧАТЬ