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СКАЧАТЬ Aber dieser war verschwunden. Überrascht, fast bestürzt, hielt Daniel Garika auf seinem Pferde und las teils den Brief wieder und wieder, teils blickte er um sich, ob der Bauer nicht noch einmal erscheine. Aber er blieb allein unter den einsamen Bäumen deren rotes Laub im Winde rauschte und zuweilen ein glutfarbenes Blatt auf den herbstlichen Rasen niedersandte.

      »George lebt – er lebt!« flüsterte er vor sich hin.

      »Und was bedeuten diese seltsamen Worte? Vaterland, vergangene Zeiten – ich soll bereit sein, ihm zu antworten! Seit zwölf Jahren glaubte ich ihn tot! Wo war er denn? Wo ist er? Hier, in der Nähe?«

      Und er blickte abermals um sich, als ob er eine fremdartige Erscheinung erwartete. Aber alles blieb still.

      Nur in weiter Ferne ließ sich der Hufschlag eines Pferdes vernehmen. Daniel untersuchte noch einmal das Siegel, fand es aber auch diesmal unkenntlich und zerriss nun den Brief in eine Menge kleiner Stücke und warf sie in den Wind, der sie verwehte.

      Ein Reiter wurde unter den Bäumen sichtbar, ein junger Eingeborener. Sobald Daniel ihn erkannte, nahm sein Gesicht einen erwartungsvollen Ausdruck an, und er ritt dem Reiter entgegen, der demütig grüßte und ihm einen Brief überreichte, einen zarten Brief auf rosafarbenem Papier und mit frisch geschriebener Aufschrift: »Dem Prinzen Daniel Garika.«

      Daniel erbrach ihn hastig und las die Worte in französischer Sprache:

      »Mein lieber Prinz!

      Nina und Michael besuchen eine Familie in der Stadt. Ich bin zurückgeblieben. Darf ich Sie erwarten?

      Sophia.«

      Daniel, freudig erregt, warf dem Reiter ein Geldstück zu, das dieser auffing, und rief.

      »Ich komme!«

      In demselben Augenblick erschien jedoch ein anderer Reiter auf schaumbedecktem Pferde und überreichte Daniel einen zweiten Brief, dessen Form und Aufschrift dieselbe Schreiberin bekundete. Daniel öffnete ihn diesmal zögernd und las die Zeilen:

      »Mein lieber Prinz! Soeben kommt Paul. Ich melde es Ihnen in aller Eile, um Ihnen nicht unwahr zu scheinen. Wird dies ein Hindernis für Sie sein?

      Ich hoffe nicht.

      Sophia.«

      Der zweite Bote erhielt keinen Lohn. Düster blickte Daniel Garika vor sich hin und gab dann den beiden Boten ein Zeichen, sich zu entfernen.

      »Verwünscht!« rief er vor sich hin. »Immer dieser Paul! Soll das Spiel ewig dauern? Erst die Einladung, dann diese Nachricht hinterher! Der Teufel traue ihr! Gehe ich? Gehe ich nicht? Es ist mir eine Qual, mit dem hochmütigen Russen zusammen zu sein, mit ihm die Blicke und Worte Sophias zu teilen! Vorwärts – ja, ich will! Habe ich den Russen zu scheuen? Entweder Sophia oder – George, wenn Du kommst, werde ich Dir eine Antwort geben! Sie liegt in Sophias Hand. Du hast mich an die Vergangenheit erinnert, an die Zeit, in der unsere Ahnen Könige waren! Gut, wir wollen sehen, ob ein Kosakenhäuptling den Enkel eines Königs aus dem Felde schlägt!«

      Und mit glühendem Antlitz sprengte er nach Westen den verschwundenen Boten nach.

      Wie der Wind flogen Ross und Reiter durch den herbstlichen Wald. Der Reiter dachte nicht daran, die Schönheiten zu genießen, die sich nach allen Seiten hin darboten; sein Herz war voll Unruhe, und außerdem waren ihm ja diese Schönheiten etwas Altes. Die wundervollen, glühendroten Kronen der Buchen, Eichen und Linden, der Platanen, Eschen und Ulmen, zwischen denen die fast noch sommerlich grünen Ranken der Schlingpflanzen sich in südlicher Fülle hinzogen – er kannte sie ja von Jugend auf. Die Lichtungen mit ihrem bereits gelblichen, aber immer noch erfrischenden Rasen und ihren einzelnen malerischen Baumgruppen entlockten ihm kein Staunen der Bewunderung mehr. Dieses Paradies war sein Vaterland; er kannte den Namen jedes kleinen Dorfes, das aus den Bäumen an einem Bach hervorlauschte oder sich an einem dicht mit Gesträuch bewachsenen Felsen hinaufzog, und die herrlichen Formen der Baumwipfel und Berge riefen auch nicht ein einziges Mal das Bewusstsein ihrer Schönheit in ihm wach.

      Seine Gedanken weilten bei denen, die er hinter ihnen finden sollte. So ritt er scharf fast eine halbe Stunde lang, bis der Wald sich plötzlich lichtete und eine Landschaft vor ihm lag, die jedes fremde Auge mit Entzücken erfüllt haben würde. Ein Tal, von mehreren Bächen durchzogen, die dem Karassu zueilten und deren Lauf von fast noch grünen Bäumen begleitet wurde, dehnte sich breit und gemächlich vor ihm aus. Zur Linken war es begrenzt von einem sanft im Halbkreis zurückweichenden Walde, vor ihm, jenseits des Tals, zog sich ein mäßiger Hügel hinauf, bedeckt mit Wald und Obstbäumen, die ein Schloss umrahmten, dessen Gemäuer durch das Laub hervorblickte. Nördlich von dem Schlosse, zur rechten Hand des Reiters, zeigten sich am Fuße des Hügels nach dem Karassu hin die Häuser eines kleinen Orts.

      Lieblicheres und zugleich Edleres als die Formen des sanft schwellenden Hügels und der Umrisse der Baumgruppen vermochte man sich nicht zu denken. Hier und dort weideten Herden, von Knaben und Männern in der einfachen, aber malerischen Landestracht gehütet, eine Herde Füllen trabte über den weichen Wiesengrund, sich ergötzend in lustigen Sprüngen – es war in der Tat ein Bild des Paradieses!

      Daniel Garika ritt etwas langsamer durch das Tal dem Schlosse zu. Er fürchtete, man könne ihn von dort aus bemerken, und mochte sich nicht zu eilig zeigen. Die Landleute, an denen er vorüberkam, zogen demütig ihre flachen Mützen; sie betrachteten ihn immer noch als den Herrn des Landes, über das der Großvater Daniels als König geherrscht hatte, bis Russland die Länder, welche den Süden des Kaukasus umspannen, unter sein Zepter zwang. Auch Schloss und Stadt Dari, die vor dem Reiter lagen, hatten einst den Garikas gehört.

      Jetzt waren sie als Mitgift für Daniels Schwester Nina an den Grafen Michael Brazow gefallen, einen Russen.

      Es war ein kleines, aber schönes Königreich gewesen, über welches die Garikas einst geboten. Jetzt war dem Königsenkel nichts geblieben als der Ertrag des Gebietes, das zu Garika gehörte, und sein Rang als Milizoffizier. Freilich war der Landstrich, den er sein nannte, immer noch so groß als manches deutsche Fürstentum.

      Aber die Herrschaft lag in den Händen des Zaren und seines mächtigen Stellvertreters, des Generalgouverneurs von Cis- und Transkaukasien, damals Fürst Woronzow. Daniel Garika galt nicht mehr, vielleicht sogar weniger als jeder russische Untertan.

      Kamen dem Fürsten düstere Gedanken, als er durch das Tal ritt? Fast schien es so, denn seine Stirn war gefaltet, seine Miene finster. Nach dem Tode seines Vaters und seiner Mutter in Petersburg erzogen, hatte er freilich die Macht Russlands bewundern und fürchten gelernt; jeder Gedanke daran, dass er einst wieder als eigener Herr in diesem Lande gebieten könne, war längst in ihm erstickt; über die Bemühungen Schamyls und seiner Genossen, dem riesigen Gegner Russland Widerstand entgegenzusetzen, zuckte er mitleidig und fast verächtlich die Achseln. Aber das Königsblut wallte den noch zuweilen in ihm auf. Er liebte Sophia, die Schwester Brazows. die sich seit einiger Zeit in Dari zum Besuch befand, aber er liebte sie nicht allein. Ein Reiteroffizier, Paul Ombrazowitsch, ein Freund und früherer Waffengefährte Michael Brazows, der das Kommando über eine in der Nähe stehende Kavallerieabteilung führte, machte ihr eifrig den Hof. Paul Ombrazowitsch war, wie es hieß, der Sohn eines Kosakenführers. Sollte ein Mann, der dem niedern Adel angehörte, den Sieg davontragen über den Enkel eines Königsgeschlechts, das seinen Ursprung ein Jahrtausend hinaus verfolgen konnte und einst unter den Herrschergeschlechtern von Kolchis berühmt gewesen war?2

      Am Fuße des Hügels angelangt, spornte Daniel Garika sein Ross wieder an und sprengte den gut gebahnten Weg hinauf bis in den Schlosshof. Das Schloss war demjenigen von Garika sehr ähnlich, aus verschiedenen Gebäuden von ungleicher Bauart und verschiedenem СКАЧАТЬ



<p>2</p>

Wir verstehen hier unter Kolchis nicht nur den schmalen Küstensaum am östlichen Ufer des Schwarzen Meeres, sondern auch die Gebiete landeinwärts bis nach Georgien hin. D. V.