Der Held von Garika. Adolf Mützelburg
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Название: Der Held von Garika

Автор: Adolf Mützelburg

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ einem langen glänzenden Streifen fiel das Sonnenlicht durch dieses Fenster in das Zimmer, und wenn man hinausblickte, sah man nichts als in der Ferne himmelhohe schneebedeckte Berge.

      Mary Hywell saß auf einer niedrigen Erhöhung, die vor diesem Fenster angebracht und mit Teppichen belegt war. Es war eine mehr als mittelgroße, schlanke, zarte Gestalt, von den feinsten, regelmäßigsten Verhältnissen. Das bleiche Antlitz ruhte auf der zarten Hand, die sie auf das Knie gestützt hatte; in der Linken hielt, sie ein Buch, in dem sie gelesen. Gedankenvoll und traurig schien sie über ihr Schicksal zu sinnen, und das blonde Haar fiel in langen natürlichen Locken über die Hand und den Arm, der den Kopf stützte Sie war eine echt nordische Schönheit; die Farbe der Haut dem Schnee vergleichbar, das Auge so hellblau wie der nordische Himmel, das Haar seidenweich und fast von der Farbe des Flachses, den die Spinnerin an ihrem Rocken befestigt. Ungemein sanft und lieblich, trotz der Traurigkeit, war der Ausdruck ihrer Züge; die Umrisse des Gesichts, der feingeformten Nase, der schön geschnittenen Augen und des kleinen Mundes waren so zart und doch so bestimmt, als habe die Meisterhand eines Künstlers sie nur andeutend und doch mit genialer Sicherheit entworfen. So bleich war das Gesicht, so hellglänzend das Haar, so zart das feine Rot der Lippen, dass man fast hätte glauben mögen, sie sei aus einem lustigern Stoff geformt als die andern Menschenkinder. In seiner jetzigen Ruhe und Unbeweglichkeit glich der Kopf fast dem Marmorkopf einer Antike, welchem der Künstler versuchsweise einen Anhauch von Farbe verliehen.

      Von jener Entstellung des Gesichts, die der Vater absichtlich hervorgerufen, war längst jede Spur verschwunden. Sie war wieder die schöne Miss Hywell, die schon in England, mehr noch in Kalkutta viele Blicke auf sich gezogen und denjenigen, dem es vergönnt gewesen, sich ihr zu nähern, durch ihre stille Anmut und den Zauber ihres echt jungfräulichen Wesens entzückt hatte. Im Kreise der Ihrigen konnte Mary Hywell auch heiter und schelmisch sein wie ein Kind, das sie ihren innersten Gedanken nach auch stets geblieben. Aber das war nun dahin. Der Ernst eines trüben Schicksals hatte die Blüte dieses Daseins plötzlich angeweht wie ein Nachtfrost im Mai, und wer konnte wissen, ob der Sommer und ob er zeitig genug kam, diese Blüte wieder aufzurichten! Und doch war das Schicksal Marys ein so gutes gewesen, als es unter den eingetretenen Verhältnissen möglich war. Kaschir-Aga hatte ihr zu Anfang wenig Aufmerksamkeit bewiesen, aber doch alle Wünsche, die der Vater ihm durch den Armenier mitteilen ließ, um die eigentümliche Lage seiner Tochter zu erleichtern, bereitwillig erfüllt. Sie konnte ihren Vater täglich sehen, sie hatte ihre Dienerinnen in der Nähe, und was ihr sehr lieb schien, Kaschir-Aga hielt sich fern von ihr, wahrscheinlich weil er ihre Krankheit fürchtete. Mary empfand, wie sie ihrem Vater zuweilen fast zitternd gestand, eine unheimliche Furcht vor dem Kurden; vielleicht sah sie, ohne sich dessen in ihrer Reinheit bewusst zu werden, Leidenschaften in dem schwarzen Auge des Häuptlings blitzen, die sie mit einer geheimen Angst erfüllten und die Gefahren einer unbestimmten Zukunft fürchten ließen.

      Ihre Ahnung schien sich erfüllen zu wollen, als die abschreckende Farbe ihres Gesichts verschwand. Vergebens hatte Mr. Hywell jede List versucht, um den Kurden von Mary fern zu halten. Seine Neugierde führte ihn zu ihr, und nun kam er täglich, ja oft mehrmals des Tages, teils allein, teils mit dem Armenier. Der Instinkt der Natur lehrte ihn eine gewisse Galanterie; er wurde besorgt für Mary und ließ ihr Geschenke und ausgewählte Speisen überreichen. Aber trotzdem blieben die Gewohnheiten seines Volkes fast schreckenerregend für ein weibliches Wesen, dem sich stets nur die zarteste Schicklichkeit genaht hatte. Welche Qual musste sie empfinden, wenn der junge Kurdenhäuptling wohl eine Stunde lang in ihrem Zimmer auf einem Kissen saß und sie unbeweglich anstarrte, oder wenn er dann dem Armenier Lobpreisungen der Schönheit seiner Gefangenen sagte, die dieser vielleicht nur andeutend zu wiederholen wagte.

      Seit dieser Zeit nahm ihr Gesicht den bekümmerten Ausdruck die bleiche Farbe an, die ein wirkliches Leiden verrieten. Ihr Vater erriet, was in ihr vorging, wenn sie auch nie mit ihm darüber gesprochen. Er ließ dem Kurden durch den Armenier Vorstellungen machen, ließ ihm sagen, die Sitte des Abendlandes dulde solche Freiheiten der Männer nicht, er sei selbst in seinem Vaterlande ein Mann, dem man sowie seiner Tochter Achtung erweisen müsse, er sei ein Gefangener, kein Sklave; der Kurde lachte teils, teils erzürnte er sich darüber, und Mr. Hywell musste schweigen, wollte er nicht vielleicht den Kurden noch mehr reizen und das herbeiführen, was er am meisten fürchtete, die Trennung von seiner Tochter.

      Kaschir-Aga hatte ihm sagen lassen, so ein Ungläubiger, ein Giaur, müsse es für die größte Ehre halten, wenn ein Rechtgläubiger seine Blicke auf die Tochter eines Sklaven richte, und er erwarte nur die Entscheidung seines Vaters, ohne dessen Einwilligung er nach der alten patriarchalischen Sitte des Orients nichts Wichtiges zu unternehmen wagte, obwohl er bereits ein Mann von mehr als dreißig Jahren war, um Mary zu seiner Gattin zu erheben oder wenigstens in seinen Harem zu führen. Zum Unglück schien der Armenier diese Verbindung zu wünschen, vielleicht, weil er Geschenke des Kurden erwartete, vielleicht, weil man ihm dann gestattete, nach seiner Heimat zurückzukehren.

      Der gedämpfte Schall von Tritten auf dem Teppich ließ Mary aufblicken. Ihr Vater stand vor ihr, beugte sich zu ihr nieder und küsste ihre Stirn. Mary schlang die Arme um seinen Hals und drückte seinen Kopf zärtlich, innig und mit einem leichten Zittern an sich. Mehr als Worte verriet diese stumme Zärtlichkeit das Leid ihres Herzens. Er setzte sich in ihrer Nähe auf den Diwan und blickte sie lange an. Mary hatte die Hände auf ihrem Schoße gefaltet.

      »Die Sonne scheint freundlich«, sagte er dann. »Fast ist es, als wolle es Frühling werden. Nur auf den Bergen glänzt noch der Schnee. Ich wollte, ich könnte Dich hinausführen, Mary – Du bist so blass geworden!«

      »Ja, Vater, aber dann weit fort – weit!« antwortete die Tochter. »Der Kummer, in dieses düstere Haus zurückzukehren, würde größer sein als die Freude, es zu verlassen!«

      Wieder trat eine Pause ein. Mr. Hywell fuhr sich mit der Hand durch sein ergrauendes, aber noch volles Haar. Auch sein frisches Antlitz war bleicher geworden, sein helles, klares Auge trüber, und der sonst so energische Ausdruck seiner Züge hatte jener Mattigkeit weichen müssen, die eine lange Untätigkeit, ein düsteres Schicksal, gegen das man nicht ankämpfen kann, auch den kräftigsten Zügen verleiht.

      »Und dass ich an allem schuld bin – mein Eigensinn!« rief er dann, und seine Stimme klang zitternd und stöhnend.

      Das hatte er in der letzten Zeit fast täglich gesagt. Gerade unter diesem Gedanken schien der sonst so starke Mann am meisten zu leiden.

      »Lieber Vater, gegen die Schlechtigkeit und Rohheit der Menschen schützt keine Vorsicht!« sagte Mary sanft und tröstend. »Ich hoffe noch immer, einer wird kommen, George oder Wiedenburg!«

      »Ja, hoffe nur!« rief Mr. Hywell fast bitter. »Ich hoffe nichts mehr. Aber ich bin entschlossen zu allem. Lieber die Flucht wagen – es ist ja doch eine Möglichkeit auf Erfolg – als das Entsetzliche dulden!«

      Mary richtete bei seinen Worten mit unbestimmter Angst den Blick auf ihn. –

      »Ist etwas Neues geschehen, Vater?« fragte sie kaum hörbar.

      »Ja – und endlich muss ich es sagen!« rief Mr. Hywell und presste die Hand vor die Augen, als wolle er die Scham und Entrüstung verbergen, die ihn ergriffen. »Dieser Wilde verlangt Dich zu seiner Gattin. Er hat die Einwilligung seines Vaters erhalten; heute hat mir der Armenier die Vorschläge mitgeteilt. Ehrenvoll nennt sie der Schurke! Nun, er mag Recht haben, auf seine Weise; wir sind ja unter Räubern und Mördern, die sich für die ersten und edelsten Geschöpfe der Welt halten. Ich soll bleiben können oder auch meine Freiheit erhalten, wie ich will. Die Diener können gehen, die Dienerinnen bleiben; Du wirst sein Weib – das ist sein Entschluss! Von meiner Einwilligung ist keine Rede; ich muss natürlich tun, wie der hohe Herr befiehlt. O Mary, ich bin schwach geworden über all diesem Kummer und Herzeleid, ich könnte weinen wie ein Kind und dann auch wieder rasen, ja toben wie ein Tier. Dich in meine Arme nehmen und mich mit der Faust durchschlagen durch dieses Gesindel, bis ein Schuss СКАЧАТЬ