Die Mühle zu Husterloh. Adam Karrillon
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Название: Die Mühle zu Husterloh

Автор: Adam Karrillon

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ erinnerte sich seiner genau. Er hatte einige Auswüchse wie Schneeballen so groß aus seinem Kopfe und konnte deshalb nur gestrickte Kappen tragen. Das war der eigentliche Grund, weshalb er nie zum Abendmahle ging und in den Geruch kam, ein Aufgeklärter zu sein. Er war unter seinen Kartoffelwagen gekommen und hatte den Weg von hier in die Ewigkeit in wenig mehr als einigen Sekunden gemacht. Vater Höhrle verzieh ihm, dass er nicht mehr mit seinem Korn zur Mühle kam, und machte ein kleines Kreuz hinter seinen Namen.

      Dann kam »Pankraz Wohlgemuth aus Hartenrod.« Der lag auf dem Rücken, als er starb. So kam’s, dass der Tod seinen Schnitzbuckel nicht sah; denn wer weiß, ob er ihn aufgeladen, wenn er gewusst hätte, wie schwer er zu verpacken war.

      »Ignatius Weißkohl aus Hammelbach« war in einem guten Weinjahr den Weg alles Fleisches gegangen, obwohl man bei ihm von Fleisch eigentlich nicht reden konnte, denn er war so mager wie ein Spinnrad und doch durstig wie ein Trichter. Auch die beiden hatten einen anständigen Grund ihre Geschäftsverbindungen mit der Mühle zu lösen. Vater Höhrle zürnte ihnen nicht und setzte jedem ein kleines Kreuz hinter seinen Namen und ein Requiescat in pace.

      Jetzt aber entdeckte er den Namen »Klaus Krummholz aus Brombach«. Der Mann war ein leidlich begüterter Bauer. Im Winter aber und an den Regentagen besserte er alte Wagenräder aus und machte auch wohl neue. Er war ein unzuverlässiger Kopf und musste immer beim Neuesten sein. Er wechselte seinen Arzt, seinen Barbier, seinen Schuster und hatte sogar seine Religion gewechselt, nur seine Strümpfe wechselte er nicht. Er war einer der ersten, der sein windschiefes Rückgrat vor der Firma Groß und Moos beugte und sein Korn nach deren Mühle trug. Der Chef des Hauses hatte sich herabgelassen, mit ihm ein paar freundliche Worte zu reden, und Krummholz war vor Ergebenheit schier noch buckliger geworden, als er schon war. Späterhin lief er dann im Dorfe herum und erzählte Wunderdinge von dem Produkte der neuen Kunstmühle. Seine Frau hatte mit einer Hand voll Mehl einen Kuchen gebacken, so groß, dass das Wunder Jesu – die Speisung der fünftausend Menschen – wenn nur Groß und Moos das Mehl lieferten, eine selbstverständliche Sache war.

      Vater Höhrle, der den windigen Gesellen hasste, wenn sein sanftes Wesen einer derartig starken Gefühlsäußerung fähig war, empfand einen Ekel vor dem Namenszug dieses Klebrigen, schnitt ihn mit seinem Taschenmesser ans der Tischplatte und suchte weiter.

      Da kamen nun aber eine ganze Anzahl Leute, die wohl alle etwas besser wie der Krummholz, aber noch lange nicht gut waren. Es kam die große Schar derer, die dem Vater Höhrle Geld schuldig waren, und die nun vor anderen Leuten so taten, als ob sie nur ungern und nicht ohne Bedauern der Mühle ihre Gunst entzögen. ›Wir hätten gerne‹, – pflegten sie bedeutungsvoll zu sagen, – ›aber es ging nicht mehr, es ging wirklich nicht mehr.‹ Ehrabschneider, die andere Leute schlecht machen durch das, was sie scheinbar großmütig verschweigen.

      Dann jene Sorte, die überall für sich einen kleinen Vorteil riechen. ›Man kann nicht wissen, Groß und Moos konnten sich ein Paar Stiefel machen, den Bart scheren, einen Zahn ziehen lassen! Eine Hand wäscht die andere. Groß und Moos konnten in den Stadtrat gewählt werden.‹

      Diese erbärmliche, sich selbst misstrauende, aber zahlreiche Sorte hatte dem Tische übel mitgespielt. Von der krankhaften Sucht beherrscht, dass von ihrem Nichts etwas auf künftige Geschlechter kommen müsse, hatten sie das Eichenbrett glatt durchgeschnitten. Vater Höhrle konnte die Gänge dieser Holzwürmer unmöglich herausradieren, deshalb holte er Fensterkitt und schmierte sie zu. Aber ihrer waren viele, und als der Alte fertig und nur die treugebliebene Kundschaft nebst den Toten übrig war, sah der Tisch verschmiert aus, schier wie ein Nudelbrett am Freitagvormittag.

      Der Müller war recht traurig, als er so sein Hauptbuch überschaute, und auch Suse, die unbemerkt an die Seite des Vaters getreten war und sein seltsam Tun beobachtete, ließ das schöne Köpfchen hängen, so dass sie mitleiderregend aussah wie eine Rosenknospe im Novemberfrost.

      »Vater,« sprach sie nach langem Schweigen, »will’s denn immer noch nicht gehen?«

      Der Alte erschrak und sagte ausweichend: »Nun gehen, gehen tut’s schon, aber nicht gerade so, wie es gehen sollte.«

      »Und könnte ich dir hierin denn gar nichts tun, ich, deine Tochter? Vater, sei offen gegen mich. Lass dein Kind teilnehmen an deinen Sorgen.«

      »Sorgen, mein Kind,« sagte Höhrle betreten, »nein, was man Sorgen nennt, die haben wir nicht. Nur so, wie soll ich’s nennen, so kleine Verlegenheiten ab und zu. Doch das wird sich geben, wird sich geben.«

      »Vater,« sagte Suse ernst, »dein Aussehen zeugt wider deine Rede. Seit Monaten sehe ich, wie schwer du leidest. Vater, sei barmherzig gegen mich, gegen dich, sprich deinem Kinde von deinem Gram, der Kummer, der nicht spricht, frisst nach dem Herzen, bis es bricht.«

      Der Alte wurde weich. Seine Hand suchte die seiner Tochter. Müde sank sein Haupt auf die Schulter des Mädchens nieder. Seine Knie wankten. Suse suchte mit ihm die Bank hinter dem Tische zu erreichen.

      Da saßen sie nun, Vater und Tochter. Die Laterne am Durchzug warf ab und zu trübe Lichter auf sie und auf die Tischplatte, die so deutlich zu reden wusste vom Niedergang des Hauses Höhrle. Eifrig plapperte die Mühle, ein leeres Geschwätz. Zwei Menschen, die sich viel zu sagen hatten, fanden keine Worte. Die Tränen, die über Susens Hände niederliefen, sagten viel, und sie waren reichlich, und doch waren sie nur der millionste Teil aller derer, die vergossen wurden in den grausamen Zeiten des Überganges, als der brutale Kapitalismus den Kleinbetrieb erwürgte.

      Wie lange sie so, eines am anderen Schutz suchend, gesessen haben, und wie oft sie sich wieder aufgesucht haben, um still zu klagen, wer wollte so indiskret sein und danach fragen. Eines nur ist sicher. Als die Träne im Vaterauge Suse die Gewissheit gegeben hatte, dass sein Gang nach dem Grabe durch viele Leidensstationen führen werde, da beschloss sie, den Schuldbrief ihres eignen Glückes unerbrochen zu lassen und beim Vater auszuharren. Unnachsichtig riss das starke Mädchen, grausam gegen sich, die Liebe aus ihrem Herzen. Der erste Brief, den sie dem Erwählten ihrer Neigung sandte, war auch der letzte.

      10. Kapitel

      Am Tage nach seiner Ankunft in der Stadt wanderte unser Hans nach dem Gymnasium und nahm als Begrüßung eine Tracht Prügel entgegen, die ihm von Seiten seiner Mitschüler nicht eben kärglich im Schulhof zugemessen wurde. Das war so hier wie wohl auch anderwärts die Art, wie man den Neuling feierlich einweihte, das Heimweih schonend austrieb und in unserem speziellen Falle die Gedanken an eine lichtgrüne Wiese, auf der zwischen buntscheckigem Vieh ein kleines Mädchen herumlief, begehrenswert und lockend wie ein reifer Pfirsich, und doch verehrungswürdig wie eine Heilige. Hans Höhrle hatte schon in früher Stunde noch vor dem Morgengebete an sie gedacht, und als er zur Schule ging, nahm er die Strickleiter mit, weil er das Gefühl hatte, er müsse gleich am ersten Tage für sie und sich einige Sprossen aufwärtssteigen.

      Nach ermüdendem Herumstehen auf den Gängen rief ein Glockenzeichen die Jungen in die Klasse. Man setzte sich in die während der Ferien neu gefirnissten Bänke, wie es der Zufall eben wollte. Hans kam zwischen zwei freche Offizierssöhne zu sitzen, die, wie sie sagten, nur eine Nachprüfung abzulegen hatten. Sie machten sich lustig über den etwas unbehilflichen Bauernjungen, fragten ihn, ob es im Odenwald noch Kängurus gäbe, und als er dies verneinte, meinten sie, sie seien auf diesen Verdacht gekommen, weil er so aussehe, als ob er von einem dieser lieblichen Haustiere abstamme. Hans ärgerte sich und griff dem einen nach dem dünnen, durchsichtigen Hälschen, um ihm Respekt vor seiner Person beizubringen, als die Tür aufging, und ein putziges Männlein in sackgrauer Uniform mit einem Paradedegen an der Seite eintrat. Es sah, was vorging, und packte unseren Hans an der Schulter. »Wie heißt du?« herrschte er ihn an. »Hans Höhrle,« war die Antwort. »Hans Höhrle, Hans Höhrle,« wiederholte der Uniformierte, »eine Konsonanz deines Namens haben СКАЧАТЬ