Die Mühle zu Husterloh. Adam Karrillon
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Название: Die Mühle zu Husterloh

Автор: Adam Karrillon

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ in den Wald geschickt, um Steine für den Wasserbau zu holen. Hansens Koffer sei dem Frachtfuhrmann übergeben, und wenn er selber zeitig zurückkäme, so könne er mit der gleichen Gelegenheit auf seinen Sachen sitzend bequem genug die Bahnstation erreichen.

      Hans aber verspätete sich, und als er endlich das Elternhaus erreichte, war der Frachtwagen mit seinem auf Reifen gespannten Zelttuch schwankenden Ganges längst über alle Berge. Also musste der Junge laufen. Suse befestigte die Strickleiter, die er ja nun nicht mehr entbehren konnte, an einem Riemen und hing diesen mit manchem Worte ernster Ermahnung über seine Schulter. Derweilen stopfte Liese die Taschen des Bruders mit hart gesottenen Eiern und Butterbrot. Reisefertig bot er Vater und Mutter die Hand, den Schwestern die Lippen zum Kuss, und rüstig wanderte er einsam am Bache hin, der ihm wichtige Dinge erzählte aus den Kindertagen: Vom Dompfaffen, der im Strauch der wilden Rose sein Nest hatte, und vom Eichhorn, das vom Baume hinter der Scheune die Nüsse stahl.

      Bald bog der Pfad vom Bache nach aufwärts ab und erreichte einen mit Erlen bestandenen Klingen. Die Sonne brannte heiß vom Himmel nieder, und der Riemen, der die Strickleiter zusammenhielt, hatte auf den Schultern des Knaben brennendrote Furchen eingegraben. Hans warf die Last ab, setzte sich darauf und sah sich um. Unten lag, von dem langen Morgenschatten des Berges noch teilweise überdeckt, sein Heimatdorf schöner, als er es je gesehen hatte, und vor der reizvollen Wirklichkeit im Tale verblassten hier zum ersten Male die Illusionen, die er sich von der großen Welt gemacht und die seine Kinderseele mit jubelndem Entzücken erfüllt hatten. Tiefe Trauer um die Gewissheiten, die er verließ, und Furcht vor dem Unbekannten, dem er entgegen ging, quälten ihn und drückten die frohe Zuversicht auf eine glänzende Zukunft merklich herab. Hans wurde unsicher.

      Der Winkel eines Kranichzuges, der gleich ihm in die Fremde steuerte, gab ihm neue Zuversicht, und bald wieder machte er einen Schritt nach dem anderen, der Stadt entgegen, die ihm Geist und Körper umgestalten sollte.

      Um ihn war eine unendliche Stille ausgebreitet, die in seinem Inneren ein Gefühl der Verlassenheit erzeugte. Er sehnte sich nach einem Begleiter, und seine Blicke kehrten oftmals den Weg zurück, den seine Füße soeben gegangen waren, um auszuschauen, ob nicht irgendeiner des Weges käme. Er sah nichts, aber er hörte mit einem Male den stolpernden Hufschlag eines Pferdes aus dem Tannendickicht. Hans, der seine Strickleiter, die ihn in die Höhe führen sollte, aber zunächst nur niederdrückte, gern losgeworden wäre, sah mit Freude vor der grünen Wand des Waldes ein ungeschlachtes, fast viereckiges Pferd, das bei jedem Schritt mit dem Kopfe nickte und hinter sich einen Wagen nachzog, auf dem man einen blauen Fuhrmannskittel unterscheiden konnte. Auch der Fuhrmann nickte, als ob ein verbindender Draht seinen und des Pferdes Kopf zu der gleichen Bewegung nötigte. Er schlief den Schlaf des Gerechten. Der Knabe fasste sich ein Herz und rief dem Schlummernden an. Schlaftrunken, war der Geweckte über die Störung seiner Ruhe aufgebracht, fluchte und schien viel eher Lust zu haben, den kleinen Wanderer durchzuhauen, als mitzunehmen. Hans lief neben dem Wagen her, weil er hoffte, dass nach dem Zorne vielleicht doch ein menschlich Rühren in die harte Fuhrmannsseele sich einnisten könne, und er hatte sich nicht verrechnet. Der Mann rief mit einem Male: »Oha!« und das Pferd machte so bereitwillig halt, dass ihm das Kummet über den Ohren saß.

      »Was zahlst du, wenn ich dich mitnehme, mein Goliath, du Riesenkerl, du?«

      »Einen Groschen und vielleicht noch etwas darüber.«

      »Sitz auf,« ermunterte der Fuhrmann und musterte Hansens Pakete mit neugierigen Blicken. Der Knabe kroch gewandt wie eine Katze von hinten auf den Wagen und machte es sich auf dem Futtersack bequem.

      »Kaust du auch, Dreikäsehoch?« fragte nach einiger Zeit bedächtigen Nachdenkens der Fuhrmann, der kein Auge von den beiden Paketen verwendet hatte.

      »Ja,« sagte Hans, »alles, was ich ungekaut nicht schlucken kann.«

      »So war’s nicht gemeint, mein Tausendsassa, aber du rauchst doch?«

      »Nein!«

      »So hast du es doch wohl gern, wenn andere rauchen und dir ein wenig den Duft unter die Nase blasen?«

      Hans bemerkte, dass er dagegen nichts einzuwenden habe. Nun griff der Fuhrmann zutraulich nach dem einen der Pakete und riss das graue Katzenpapier herunter. Als er aber nicht fand, was er erwartet hatte, schob er enttäuscht seine Schirmkappe ins Genick, fasste den armen Jungen erbarmungslos am Kragen, hob ihn über den Leiterbaum und ließ ihn fallen. Im nächsten Augenblick bereits lag der fahrende Scholar in der sehr schätzenswerten Gesellschaft des großen Georges auf der Straße. Der Fuhrmann fuhr weiter, verärgert und gekränkt darüber, dass hinter einem so kleinen Knirpse und seinem Bündel so viel Lug und Trug verborgen sein könne.

      Hans erhob sich und suchte seine Kleider und den großen Georges, der beschmutzt und übel zugerichtet war, wieder zu restaurieren. Er dachte an den Pfarrherrn, der ihm dies Liebespfand anvertraut hatte, und mitleidig an die noch ungeborenen Generationen, denen es auf der sozialen Leiter in die Höhe helfen sollte. Ihm hatte es seither wenig gedient. Eine Zigarrenkiste mit dem minderwertigsten Inhalt hätte ihn sicher weiter gebracht, wie all die papierne Weisheit. Noch war der Wanderer kaum eine Stunde aus dem Elternhaus, und bereits war er mit den Realitäten des Lebens arg aneinander geraten. Er war traurig, aber ein wilder Trotz erwachte in seiner Kinderseele. Er wollte den Kampf aufnehmen, und wenn er zermalmt werden sollte.

      Resolut warf er den Riemen, an dem der große Georges baumelte, über seine Schulter und folgte, der Chaussee mit ihren unfreundlichen Gesellen ausweichend, einem kleinen Seitenpfade, der ihn durch Waldesschatten in ein quellendurchrauschtes Wiesental führte. Buchen wechselten mit Wallnüssen und der Pfad mit einem tiefgeleisigen Feldweg, der die weit im Tale verstreuten Bauernhöfe aufsuchte und bald auf-, bald abstieg. Die Leute sah man in den Feldern hinterm Pflug oder in den Wiesen hinter dem Wetterleuchten der geschwungenen Sensen. Die Höfe schienen leer, den Hühnern überlassen, die fleißig im Miste scharrten, und der Wachsamkeit der Hofhunde. Einer nach dem anderen dieser zottigen Wächter kam dem Knaben vorsichtig näher, beschnupperte misstrauisch den großen Georges und warf im Fortgehen mit den Hinterpfoten etwas Schmutz nach dem Lexikon und seinem Träger. So feierlich dieser Vorgang an sich war, so wurde er durch die öftere Wiederholung dem Reisenden doch schließlich langweilig, und als eben gerade ein struppiger Bullenbeißer die Zeremonie vollzog, hob er seinerseits das Bein auf, um ihm einen Tritt zu geben. Doch da kam er übel an. Im Nu hatte das Tier mit den Zähnen seine Hose erfasst, und es lag Hans und der große Georges zum zweiten Male an diesem ereignisreichen Tage an der Erde. Hart waren sie nicht gebettet, aber etwas feucht, denn sie lagen in einer breiten Rinne, die den Extrakt des Dunghaufens der Wiese zuführte.

      Als sie sich aus der Niedrigkeit erhoben, waren sie in einer Verfassung, dass sie ohne gründliche Reinigung nicht gut in die menschliche Gesellschaft zurückkehren konnten. Die Sonne nahm sich jedoch ihrer an und trocknete sie, allein sie vermochte nicht die beiden von einem Dufte zu befreien, der ihnen nachging wie ihr Schatten und ihren Kredit herunterdrückte. So kamen sie in übler Verfassung an die Bahn.

      Der Umstand, dass bei der Fahrt Bäume und Kirchtürme lustig tanzten, unterhielt den Knaben und verscheuchte die Trauer über die schlimmen Erlebnisse. Bald stahl sich der Zug leise wie auf Gummischuhen mit einer gewissen Ängstlichkeit, die sich auch den Reisenden mitteilte, über das Gitterwerk der Rheinbrücke, schoss wie vom Teufel gehetzt durch das Dunkel der Festungswälle und hielt vor einem schmutzigen Bahnhof. »Station Mainz,« riefen die Schaffner, die Trittbretter krachten, und ein mit allerlei Gepäck beladener Menschenknäuel wälzte sich durch ein eisernes Gittertor einem kleinen Zollhäuschen zu. Hans hatte den großen Georges wieder über die Schulter geworfen und schaute entzückt ins Abendrot, das Kirchtürme, Häusergiebel und auch das Zollhäuschen in einen zarten Rosaschleier kleidete. Ganz ins Schauen verloren lief er wie ein Träumender nur immer geradeaus und kam an der Oktroibude vorüber, als er hinter sich die unfreundlichen Worte hörte:

      »Wirst du dich wohl hierherbemühen, du da mit deiner Heringskiste СКАЧАТЬ