Die Mühle zu Husterloh. Adam Karrillon
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Название: Die Mühle zu Husterloh

Автор: Adam Karrillon

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ etwas herauspressen wollte. Er wohnte so gelegen, gerade nebenan der Sparkasse, er galt für wohlhabend, und es schmeichelte ein wenig seiner Eitelkeit, wenn er mit der Zugkraft seines klangvollen Namens das steife Geld der Kasse ins Rollen bringen konnte. Er freute sich, wenn er andere und anderes sich bewegen sah, der eigenen Ruhe, denn er war von unüberwindlicher Faulheit. Er war Junggeselle geblieben, weil er die Anstrengung des Heiratens fürchtete. Sein Geschäft betrieb er von einem dreimal reparierten Ledersofa herunter mit der Spitze einer langen Pfeife. Wer einen Hering verlangte, legte das Geld auf den Ladentisch und bequemte sich nach der Ecke, die Schütteldich mit seiner Pfeifenspitze ihm bezeichnete. Dort fand er, was er suchte. Kam einer, der etwas kaufen wollte, was gewogen werden musste, so lud ihn Onkel Schütteldich ein, neben der Schmierseifentonne Platz zu nehmen, bis noch einer käme. Wegen eines einzigen Geschäftes aufzustehen, dazu war er nicht zu bewegen.

      In halb liegender Stellung traf ihn unser Hans auf dem Ledersofa und erklärte ihm in Kürze, dass er gekommen sei, um Abschied zu nehmen. Schütteldich blies aus seiner Pfeife einige Frage- und Ausrufezeichen in die Luft, als ob er sagen wollte: »Wohin? – Und was soll aus diesem Kinde werden?«

      Der Knabe beantwortete diese Wimpelsignale prompt: »Ich soll ein Geistlicher werden, Onkel, und soll fort nach der Bischofsstadt.«

      »Du, ein geistlicher Herr?« lachte Onkel Schütteldich. »Höre, mein Junge, dein Onkel ist auch nicht allwissend, aber das kann er doch prophezeien, dass du eher an die Mondsichel einen Stiel drechselst, als den Weihwasserpinsel schwingst. Wo warst du übrigens heute morgen schon, verliebter Kakadu, bevor du zu mir kamst?«

      Hans errötete und schwieg.

      »Ich will dir was sagen. Von der Dachluke unseres Hauses hat man eine schöne Aussicht, und ich, dein Onkel, weiß, dass du mit einem schelmigen Buben verkehrst, der Agnes heißt.«

      Dem derart gefolterten Knaben lief eine Purpurröte bis unter die Haare, und er stammelte verlegen: »Du wirst doch schweigen können, guter Onkel!«

      »Ich«, sprach dieser, »ich kann unverschämt schweigen jedem anderen gegenüber. Dir aber sage ich: Überlass den langen Rock anderen Leuten, die krumme Beine haben! Gewiss, ich sage nichts gegen den Priesterstand. Schon seine bequeme Zeiteinteilung: Ein Werktag und sechs Sonntage, gefällt mir sehr. Aber, Hans, das Zölibat, das Zölibat, und die Mädels und die Mädels!«

      Und Onkel Schütteldich lachte verschmitzt wie einer, der viel erzählen könnte, wenn er wollte. Es gehörte so zu seinen kleinen Schwächen, durchscheinen zu lassen, dass er nicht aus Mangel an Auswahl Junggeselle geblieben sei, sondern weil die Größe des Angebots seine Kaufkraft überstieg.

      Nachdem Onkel Schütteldich eine Zeitlang mit verschlagenem Zwinkern vor sich hin gelacht, wendete er sich um, so dass er auf dem Bauche lag, und begann mit der Linken unter dem Sofa zu wühlen. Es dauerte nicht lange, und er beförderte einen alten Krug ans Tageslicht, der mit einem halben Holzdeckel notdürftig verschlossen war. Aus dem Kruge entwickelte er nun wie aus einem Zauberkasten eine schier endlose Strumpflänge, aus dieser einen Lederbeutel und aus diesem einige schier erblindete Taler.

      »Die sind für dich«, sagte er. »Die Herren in der Stadt verstehen nur den Leuten den Kopf zu füllen und lassen den Magen leer. Wenn du die gesunden Sinne deines Onkels geerbt hast, dann wirst du riechen, wo der Metzger wohnt, und wirst hören, wo man den Teig in der Backmulde schlägt. Wenn sie dich hungern lassen, wirf die Bücher in den Rhein, komm hierher, heirate Agnes und übernimm deines Schwiegervaters Hotel ›Zum Weltschirm‹. Damit Gott befohlen!« sagte Onkel Schütteldich, qualmte und verschwand wie Israel hinter der Wolkensäule im grauen Dunste einer Tabakswolke.

      Kaum hatte Hans Höhrle den Laden seines Onkels verlassen, als er dem würdigen Pfarrherrn begegnete, der, sein Brevier betend, gerade aus der Frühmesse kam. Der alte Herr steckte das braune, abgegriffene Büchlein in die Hintertasche seiner Sutane und nahm den Jungen bei der Hand.

      »Du willst Abschied nehmen, um aus unseren Bergen in die Welt hinauszugehen. Komm mit, ich will dir Gottes Segen mitgeben und noch was anderes.«

      Derweilen hatten die beiden die Schwelle des Pfarrhauses überschritten und standen vor dem übervollen Büchergestell des alten Herrn, der sich streckte und zwei mächtige Folianten mit vergoldetem Lederrücken herunterholte. Liebevoll wiegte er sie in seinen wohlgepflegten Händen und sah dem Knaben stramm ins Gesicht. »Siehst du,« begann er, »dies ist die Strickleiter, an der schon gar mancher zu hohen Ehrenstellen in Staat und Kirche emporgestiegen ist!«

      Da er das Wort Kirche etwas scharf betonte, so sah Hans, der wegen der Agnes kein gutes Gewissen hatte, etwas betreten zur Seite.

      Der geistliche Herr merkte das nicht, denn er hatte die Einbanddecke umgeschlagen und las: »Taschenwörterbuch der Lateinischen Sprache von Georges.« Hans erschrak und suchte im Geiste den gewaltigen Umfang dieses Buches mit dem Kosenamen Taschenwörterbuch in ein harmonisches Verhältnis zu bringen. Der Pfarrer aber drehte plötzlich nach vorn um und las dem Knaben eine schier endlose Namensliste von Leuten vor, die das Buch vordem besessen. Da waren Männer verzeichnet, die es zum Regierungsbauinspektor, Steuerperäquator, Kanzleirat, Rechnungsrat, Dompraebendenten usw. gebracht hatten. Kurzum, das Vorblatt des Buches war das reinste Pantheon, in dem illustre Menschen aller Art beigesetzt waren. Indem der Pfarrherr dem Knaben die letzte Seite des Buches vor Augen hielt, ließ er sich von diesem bestätigen, dass auf dieser keinerlei weder Gedrucktes noch Geschriebenes zu finden sei. Hans konnte dies mit gutem Gewissen tun, und der Pfarrer fuhr fort:

      »So rein wie dies Blatt hier, ist die Seele, die du nun in die Fremde trägst, und rein und sauber sollst du nach Jahr und Tag mir beides wiederbringen, deine Seele und das Buch. Vor allen Dingen aber, kleiner Künstler, male mir keine Dackel da hinein, das ist die Bedingung, unter der du das Lexikon mitnehmen kannst.«

      Hans nickte zustimmend. »Büblein,« fuhr der Priester fort, und eine Wolke von Trauer legte sich über seine buschigen Augenbrauen, »es kommen nun harte Jahre für dich. Dich packt der Ernst des Lebens, und alle Kindereien müssen jetzt hinter dir liegen.«

      Vielleicht reute es ihn, so drohend harte Worte gesprochen zu haben, denn er lenkte ein: »Wenn du dir aber das Dackelmalen durchaus nicht abgewöhnen kannst, nun denn meinetwegen, beschmiere das Schlussblatt. Irgendeine Dummheit macht schließlich jeder, aber deine Seele bewahre mir weiß und rein.«

      Damit legte er dem Knaben segnend die Hand aufs Haupt, und schob ihn mit freundlichem Lächeln vor die Tür. Auf der Dorfgasse erhoben die Gänse ein begehrliches Geschrei, als sie den angehenden Studenten wie mit Futterkörben beladen über das Pflaster schreiten sahen.

      8. Kapitel

      Während Hans seine Abschiedsbesuche machte, hatte sich in der Mühle ein bisher ganz unerhörtes Ereignis vollzogen. Mutter Höhrle, die den Abgang ihres Einzigen zu einem Tage gestalten wollte, der in der Erinnerung aller Dorfbewohner haften sollte, hatte den Auftrag gegeben, die Pferde vor den Viktoriawagen zu spannen. Diesem Ansinnen widersetzte sich Suse mit der Bemerkung: ›Die Pferde seien beim Umbau der Mühle unentbehrlich, und Hans und seine Sachen könnten recht gut mit einer Gelegenheitsfuhre nach der Bahnstation gebracht werden.‹

      Mutter Höhrle war zunächst starr vor Staunen über die Kühnheit ihrer Tochter und fiel dann in eine ihrer komfortablen Ohnmachten, die sie allmählich recht täuschend herzustellen gelernt hatte. Aber als sie erwachte und sah, dass dieses letzte Mittel, ihren Willen durchzusetzen, niemand erschüttert hatte, geriet sie in Wut, und eine Lawine von Schmähungen ergoss sich über das tapfere Mädchen. Suse aber stand kaum bewegt wie eine Tanne im Föhn, schüttelte sich nur ein wenig und erklärte ihrer Mutter, dass von jetzt ab sich vieles ändern müsse. Sie kenne die Lage des Vaters und СКАЧАТЬ