Aus der Praxis. Wilhelm Walloth
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Название: Aus der Praxis

Автор: Wilhelm Walloth

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Stimmung rasch in die entgegengesetzte verfallend, »es kann vielleicht alles noch besser werden, nicht wahr? Sie glauben es selbst, ich kann wieder gesund werden?«

      Dr. Kahler nickte so heiter wie möglich, seine aufsteigende Rührung gewaltsam zurückdämmend.

      »Armer Mensch,« dachte er, »der am Rand des Grabes noch dem Traum des Lebens nachjagt.«

      »Ach! Wenn Sie mich retten könnten, Doktor,« fuhr der andere ermattet fort, die widerstrebende Hand des Arztes an die Lippen führend, »nur so lange mich am Leben lassen könnten, bis ich dies Bild vollendet habe – dann will ich ja gern sterben, nur noch so viel Kraft, um vier Wochen hindurch den Pinsel führen zu können —«

      Kahler atmete auf.

      »Wissen Sie, mein Freund,« fiel er rasch ein, »dass ich gekommen bin, um Ihnen diese Rettung, von der Sie sprechen, zu bieten?«

      Da nun der Kranke freudig lächelnd aufzuhorchen begann, wich jedes Schuldgefühl, das ihn anfangs beklemmte, aus des Arztes Brust; er war im Begriff, diesem Unglücklichen eine Wohltat zu erzeigen, ihm die letzten Tage seines Lebens zu verschönern, und das in der Tat innige, fast väterliche Freundschaftsgefühl, das er dem jungen Mann, kaum da er ihn kennengelernt, entgegenbrachte, überwand seine letzten Zweifel. Voraussichtlich wird der arme Schelm innerhalb eines Monats sterben, sagte sich Doktor Kahler seufzend, doch darf ich deshalb ein Mittel unversucht lassen, das unter Umständen wenigstens sein Leben um einige Monate verlängern könnte? Die Heilkunde betrügt oft die scharfsinnigste Vorausberechnung. Wer weiß, wie lange ihn bessere Pflege am Leben zu erhalten vermag? Vielleicht wird es ihm in der Tat noch möglich sein, jenes Bild zu vollenden, dessen Skizze ihn nicht ruhig sterben lässt, und wie dankbar wird er sein, wenn sein brechendes Auge auf dem vollendeten Bilde ruht!

      Als der Arzt sich einen Augenblick hindurch in der Phantasie Fräulein Pöhn als die Gattin des Malers vorstellte, wusste er selbst nicht, warum ihm auf einmal ein bitteres Gefühl die Brust beklemmte und es ihm war, als müsse er sogleich das Zimmer verlassen. Ein Blick in das abgemattete Gesicht des Kranken verscheuchte ihm jedoch, so schnell wie sie gekommen, diese seltsame Unruhe und sich rasch überwindend, teilte er dem gespannt Lauschenden lächelnd mit, da sei ihm in seiner Praxis ein höchst merkwürdiger Fall vorgekommen.

      »Ganz außergewöhnlich, mein Lieber,« sagte er, »und zwar geht die Sache weniger mich als Sie an. Immer die Künstler, natürlich die Künstler, die haben das größte Glück!«

      Der Kranke frug lächelnd, was ihm Glückliches denn bevorstehe, und der Doktor ging mit sich zu Rate, ob er ihm die ganze volle Wahrheit sagen, oder ob er der rettenden Arznei ein wenig täuschende Süßigkeit beimischen solle. Auf diese Art gelangte er rascher zu seinem Ziele, und durfte man einem Arzte es verübeln, wenn er eine kleine Notlüge ersann, um das Leben seines Patienten zu verlängern, unter Umständen zu erhalten? Wie oft war er in die Lage versetzt worden, mittelst einer Unwahrheit des Leidenden Los zu erleichtern, z. B. die sehr gefährliche Krankheit für gefahrlos zu erklären, und hier sollte er dies Mittel, das schon seit dem alten Galen jeder Arzt mit Erfolg angewandt, verschmähen? Trotzdem entschied er sich für die Wahrheit, dann aber erschien ihm die Sache doch gar zu wunderlich, der arme Freund, sagte er sich, würde gewiss den sonderbaren Heiratsantrag mit Entrüstung zurückweisen und sich nicht zum Werkzeug einer reichen Erbin erniedrigen wollen.

      Er schwieg und überlegte, ob er nicht besser tun werde, seine Hände gänzlich aus diesem gefährlichen Spiel zu lassen, aber ein Blick in das bleiche Gesicht seines Freundes stieß diesen Vorsatz sogleich wieder um. Hier musste Rettung geschaffen werden, rief eine Stimme seines Innern, er fühlte, dass ihn die Zerstörung dieses unverfälschten, einst so lebensfrohen Gemüts tiefer erschüttern werde, als alles, was ihm seither Schmerzliches begegnet, obgleich er sich nicht zu erklären wusste, weshalb er eigentlich diesen lebhaften Anteil an Paul nahm. So entschloss er sich denn mit der Tollkühnheit der Ratlosigkeit.

      »Hören Sie,« stieß er hervor, ohne recht zu wissen, was er sagte, »da kam eine Dame zu mir in mein Sprechzimmer; sie wusste, dass ich den Maler Paul Steinacher in Behandlung habe, sie will diesen hübschen Menschen irgendwo gesehen haben und —« er zögerte einen Augenblick, neigte dann den Kopf und fügte schelmisch lächelnd hinzu: »nun warum soll ich es nicht offen heraussagen, aus der Art, wie mich die Dame über Sie ausfrug, ging hervor, dass sie eine lebhafte Neigung zu Ihnen gefasst hat.«

      Paul schüttelte ungläubig lächelnd den Kopf.

      »Was Sie nicht sagen,« warf er hin.

      »Die Dame ist sehr wohlhabend,« fuhr der Arzt, ob seiner Fälschung der Wahrheit ein wenig errötend, fort, »die Dame ist eine große Verehrerin der Kunst – kurzum – warum soll ich damit zögern —? Sie haben es ja längst erraten – die Dame, die erfuhr, Sie seien krank, seien in schlechten Verhältnissen, die Dame frug mich, auf welche Weise sie Ihnen nützlich sein könnte, ob sie etwas für Sie tun könne, ja sie ging noch weiter!«

      »Bin ich dieser Dame in der Tat so interessant?« frug der Jüngling mit naivem Erstaunen.

      Doktor Kahler nickte.

      »Sie glaubt in Ihnen eine lebhafte Neigung voraussehen zu dürfen,« fuhr er fort, immer unruhiger auf seinem Stuhle hin und her rückend, »Fräulein Emma Pöhn lässt nun durch mich anfragen, ob sie sich betreffs dieser Neigung keiner Täuschung hingibt –«

      Paul unterbrach den Sprecher.

      »Das wird immer besser,« lachte er auf und der Arzt, durch dieses Lachen aus dem Zusammenhang gebracht, sah verwirrt zu Boden, während Pauls Stirne sich auf einmal zu verfinstern begann.

      »Nun, nun, mein Freund,« meinte der Arzt mit unsicherer Stimme nach einiger Zeit, »die Sache ist keineswegs lächerlich. Sie kennen die Macht, die der Künstler auf das weibliche Gemüt ausübt, Sie haben auch schon von den extravaganten Leidenschaften vornehmer Damen gehört. Warum soll eine solche Dame sich nicht in Sie verlieben dürfen? Was ist da erstaunlich? Warum soll sie eine solche Liebe nicht gestehen dürfen? Ich sehe überdies nicht ein, warum man dem Glück, wenn es endlich einmal eintreten will, verdrossen die Türe schließen soll. Ob sich nun Fräulein Pöhn betreffs Ihrer Neigung täuscht oder nicht, jedenfalls sucht sie eine Annäherung und es wäre Torheit von Ihnen, mein Freund, wollten Sie eine Neigung, durch die Sie mit einem Schlage aller Nahrungssorgen enthoben wären, zurückweisen. Wie gesagt, die Dame ist sehr reich, und —«

      Paul richtete sich hastig von seinem Lager empor.

      »Nicht weiter, mein Freund,« unterbrach er den Sprecher, indem die Blässe seiner Wangen in erschreckender Weise zunahm und er rascher Atem holte, »ich kenne dieses Fräulein nicht, aber auch wenn ich sie kennte, und wäre auch ihre Neigung so tief, wie Sie sagten, und gäbe sie mir auch die Mittel an die Hand, glücklich zu werden, – nie —«

      Er brach ab, fuhr sich mit der Hand seufzend durch die schwarzen, feuchten Locken und sank ermattet auf die Kissen zurück. Doktor Kahler schaute äußerst beklommen drein.

      »Sie wissen noch nicht alles, mein Freund,« stammelte nach einiger Zeit der Maler kaum hörbar.

      Doktor Kahler hatte die Photographie Emma Pöhns, welche ihm diese, ehe sie beide von Hause wegfuhren, eingehändigt, aus seinem Portefeuille genommen, hielt das Bild jetzt in der Hand und sah mit verlegen fragendem Blick zu dem in die Kissen Gesunkenen hinüber.

      »Wie? Was weiß ich nicht?« frug er erstaunt, indes eine Ahnung in ihm aufstieg, als er des Kranken geisterbleiche Miene genauer beobachtete.

      »Ach! Doktor,« fuhr jener nach einiger Zeit leise, fast verschämt fort, »ehe ich das Gift nahm – o Gott! Ich will es Ihnen gestehen – nicht allein meine Armut war schuld an der verzweifelten СКАЧАТЬ